
Foto: Edda Rössler
Die Farben wirken wie frisch aus dem Leben geschöpft, die Stoffcollagen scheinen zu atmen, die Porträts strahlen Stolz und Verletzlichkeit zugleich aus: Seit kurzem präsentiert die Galerie Hübner & Hübner im Westend eine junge Generation ghanaischer Künstler. Unter dem Titel „Positionen aus Ghana“ bespielen Malerei, Collage und Abstraktion von Cornelius Annor, Kwesi Botchway, Kelvin Haizel, Lord Ohene Okyere Bour und Dela Quarshie die Galeriewände.
Die Ausstellung verbindet fünf sehr unterschiedliche Handschriften. „Auf den ersten Blick merkt man, dass es eine andere Welt ist, eine andere Erfahrung, die sich hier präsentiert“, sagt Galerist Ernst Hübner. „Mich fasziniert diese Selbstverständlichkeit, mit der die Künstler mit Farben umgehen, das ist in Europa verhaltener. Hier geschieht es mit Großzügigkeit und spielerischer Freiheit.“
Von Stoffcollagen bis zu pinkfarbenen Gesichtern
Cornelius Annor kombiniert Malerei mit Stofffragmenten, die an die Stoffgeschäfte seiner Mutter erinnern und zugleich den Alltag in Accra spiegeln. . Bei Kwesi Botchway steht das Porträt im Zentrum, stolze, schwarze Gesichter, deren Hautpartien in kräftigem Blau oder Violett schimmern, wie mit einer Erinnerung an rituelle Körperbemalungen versehen. Lord Ohene Okyere Bour und Dela Quarshie wiederum führen den figurativen Ansatz weiter, mal erzählerisch, mal mit abstrakten Einsprengseln.
Einen besonderen Akzent setzt jedoch Kelvin Haizel, der einzige Künstler der Schau, der sich ganz der Abstraktion verschrieben hat. Seine kleinformatigen Arbeiten in Acryl scheinen zunächst wie Fragmente, Entwürfe. Tatsächlich versteht er sie als „Vorarbeiten für große Leinwände“. Doch gerade in dieser Verdichtung entfalten sie eine intime Kraft. „Dieses Format zwingt mich, reflektiver zu arbeiten, geduldiger, intuitiver“, sagt Haizel im Gespräch.
Seine Bildsprache speist sich aus den Straßen von Accra. Dort testen Händler in den Farbgroßhandlungen neue Pigmente an den Wänden, Schicht über Schicht, zufällig, unbeabsichtigt. „Über die Jahre entsteht so eine Art Abstraktion, die nicht als Kunst gedacht ist, aber existiert in der Stadt“, erklärt Haizel. „Von diesem ästhetischen Zufall habe ich gelernt. Meine Malerei beginnt dort, sie internalisiert diese Spuren.“ So verweben sich in seinen Arbeiten urbane Fundstücke mit malerischer Geste. Graue Grundierungen erinnern an Beton, über die sich helle Farbfelder wie Aufbrüche legen. Manche Kritiker sehen darin fast „rokoko-hafte“ Leichtigkeit, andere ein poetisches Archiv der Stadt.
Accra als Labor der Gegenwartskunst
Dass Frankfurt nun Künstler aus Ghana präsentiert, ist kein Zufall. Accra, die Hauptstadt an der westafrikanischen Atlantikküste, gilt als einer der vitalsten Hotspots zeitgenössischer afrikanischer Kunst. Zwischen Institutionen wie der Nubuke Foundation und Galerien wie Gallery 1957 gedeiht eine Szene, die von Festivals wie Chale Wote internationale Strahlkraft erhält. Namen wie Ibrahim Mahama, der mit monumentalen Installationen aus Jutesäcken den Kunstkanon erweiterte, oder Amoako Boafo, dessen fingerbemalte Porträts den Kunstmarkt eroberten, sind längst global präsent. „Accra ist ein Labor“, sagt Haizel. „Hier mischen sich Street Art, Performance, Malerei. Es ist ein Ort, an dem Tradition und Gegenwart ständig neu verhandelt werden.“
Die Frankfurter Ausstellung vermittelt davon einen prägnanten Eindruck: Identität, Kolonialgeschichte, Gender, Alltag, die Themen sind vielschichtig, die Formensprache offen, experimentell, sinnlich. Und sie bringt eine Szene näher, die zwar längst internationale Aufmerksamkeit erfährt, aber in Deutschland noch wenig sichtbar ist.
So gelingt dieser Ausstellung mehr als ein Ausflug ins Exotische. „Positionen aus Ghana“ zeigt die Vielfalt einer jungen Szene und öffnet einen Blick auf globale Verflechtungen: Was in den Straßen von Accra entsteht, findet nun Resonanz im Frankfurter Westend. Hier begegnen sich zwei urbane Realitäten, die vibrierende Küstenmetropole Westafrikas und die Mainstadt mit ihrer weltoffenen Tradition.
„Positionen aus Ghana“
Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt am Main
Bis 2. Oktober 2025
Weitere Informationen unter www.galerie-huebner.de
Text und Foto von Edda Rössler – Veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse am 10. September 2025