„Here we go!“ – Die Schirn auf Zeitreise nach Bockenheim

Galeristin Barbara von Stechow und Schirn-Direktor Dr. Sebastian Baden Foto: Edda Rössler
Galeristin Barbara von Stechow und Schirn-Direktor Dr. Sebastian Baden
Foto: Edda Rössler

Wenn die Schirn Kunsthalle Frankfurt die Kisten packt, dann nicht still und leise: Am Sonntag wird sie ihren „tanzenden Umzug“ quer durch die Stadt mit Sasha Waltz und Frankfurter Tanzgruppen feiern. Doch bevor das Backsteingebäude der Dondorf-Druckerei in Bockenheim zum neuen Zuhause wird, war es am Montagabend die Villa Merton, die für einen Abend zum Ausweichquartier diente – zumindest für eine Gesprächsrunde.

Barbara von Stechow, Präsidentin des Union International Club und Galeristin, hatte im Rahmen der Reihe „Frankfurter Köpfe“ den Schirn-Direktor Sebastian Baden eingeladen. Der Andrang war groß, die Sonne stand golden über dem kleinen Park, und bei Champagner und sommerlicher Stimmung ließ sich Frankfurter Kunstfreunde nicht zweimal bitten. „Das ist ein perfekter Ort, um über Kunst zu sprechen, eröffnete Baden.

Er nutzte die Gelegenheit, die DNA der Schirn zu umreißen: „Wir sind eine Kunsthalle ohne Sammlung, das heißt, wir kaufen nichts. Unser Auftrag ist es, temporäre, pointierte Ausstellungen zu entwickeln, die internationale Kunstströmungen sichtbar machen und manchmal auch gegen den Strich zu bürsten.“ Genau darin, so Baden, liege die Freiheit des Hauses: „Wir können auf Debatten reagieren, ohne von einem Depot aus zu denken.“

Doch wie verändert sich die Schirn im Exil? Die Dondorf-Druckerei in der Sophienstraße, vis-à-vis der KfW, bietet rauen Charme: frei gelegte Säulen, hoher Schornstein, Geschichte pur. „Wir ziehen mit Café und auch der Minischirn nach Bockenheim“, erklärte Baden, „und haben dort ein offenes Foyer. Wie am Römer zeigen wir parallellaufende Ausstellungen. Natürlich auf kleinerer Fläche, aber nicht minder ambitioniert.“ Den Auftakt machen Werke von Suzanne Duchamp und Stephanie Comilang.

Die Frage, ob die Interimslösung auch das Selbstverständnis der Schirn verändern werde, beantwortete Baden optimistisch. „Wir bleiben die Schirn, aber wir öffnen uns. Die Nachbarschaft in Bockenheim ist wichtig, Initiativen aus dem Stadtteil sollen Räume bekommen. Das macht etwas mit uns, weil wir nicht nur Gäste sind, sondern Mitnutzer.“

Von Stechow lenkte das Gespräch auf die große Frankfurter Linie: den Kulturcampus, der seit Jahren als Vision durch die Stadt geistert. Baden erinnerte daran, dass bereits Petra Roth die Idee stark gemacht habe, Frankfurt als Kulturstadt auch jenseits des Römerbergs neu zu denken. „Die Dondorf-Druckerei liegt genau dort, wo Universität und Stadtgesellschaft zusammentreffen. Vielleicht ist das, was wir jetzt erproben, ein Vorgeschmack auf das, was der Kulturcampus einmal sein könnte.“

Nicht zuletzt sprach Baden über die Sanierung des Stammhauses am Römerberg. Dort wird die Schirn ab 2028 in neuer energetischer Qualität wieder eröffnen, mit Photovoltaik auf dem Dach und einer sanierten Sandsteinfassade. „Das ist unser Stammhaus“, so Baden. „Wir machen daraus ein Leuchtturmprojekt für ökologisches Wirtschaften im Ausstellungswesen.“

Zwischen den Fakten blitzte immer wieder Humor auf. Baden erzählte von Begegnungen mit Christine Lagarde („wir haben über Raumgestaltung gesprochen, nicht über Zinspolitik“) und von der Schirn als „System im System“, das Kunst, Markt und Gesellschaft miteinander verschränkt. Dass die Kunsthalle als „Ort der Irritation“ auch weiterhin unbequem bleiben wolle, daran ließ er keinen Zweifel.

Von Stechow hielt die Fäden charmant in der Hand, und das Publikum quittierte es mit Applaus und Nachfragen, die noch bis tief in den Abend hinein diskutiert wurden. So wurde deutlich: Der Abschied vom Römerberg ist weniger ein Ende als ein Aufbruch. Oder, wie Baden es formulierte: „Wir räumen unser Haus nicht, wir erweitern unseren Spielraum.“

Text von Edda Rössler, veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse am 6. September 2025