
Ölbild, in dem strenge Komposition und geheimnisvolle Atmosphäre ineinandergreifen.
Foto: Edda Rössler
Mit 22 malt sie, als käme sie aus einer anderen Zeit. Während ihre Generation sich in Memes, schnellen Trends und digitaler Glätte ausdrückt, setzt Alexandra Gorev auf Öl, auf klassisches Handwerk, auf Bilder voller Präzision und Symbolik. In Frankfurt geboren, ohne Kunstakademie, ohne Professoren. „Eine Akademie habe ich nicht besucht, das brauche ich nicht“, sagt sie. Wer ihre Werke sieht, versteht sofort warum.
Ihre Gemälde erinnern an die englischen Präraffaeliten John Everett Millais, Dante Gabriel Rossetti oder Edward Burne-Jones. an die Intensität der Farben und die Strenge der Ausführung. Doch Gorev verlegt diese Tradition ins Heute. Frauenfiguren und Fabelwesen, Aliens und Menschen begegnen sich, mal in Cafés auf dem Mond, mal vor apokalyptisch flammenden Kulissen. „Ich lege meinen Fokus bewusst auf düstere, enigmatische Motive. Mit helleren Themen kann ich mich nicht identifizieren.“
Ein Werk trägt den Titel Conversations: Eine junge Frau sitzt mit einem Außerirdischen in einem Diner auf dem Mond, die Erde leuchtet im Hintergrund. „Egal wie weit man entfernt ist, man kann immer eine Verbindung aufbauen, auch mit dem Fremden.“ Ein Satz, der wie ein Leitmotiv für ihr Schaffen klingt: Schönheit und Unheimliches, Nähe und Distanz, Alltag und Fremdheit verschränken sich.

Foto: Edda Rössler
Dass sie auf klassische Technik setzt, ist Programm. „Viele Kunstunis fokussieren heute stärker auf Gegenwartskunst und weniger auf Ölmalerei. Deshalb habe ich mir alles selbst beigebracht“, erzählt sie. Tutorials, das Studium alter Meister und ein „gutes Auge“ genügten, um einen eigenständigen Stil zu entwickeln.
Ihre Einflüsse sind vielfältig: Guillermo Lorca, der chilenische Maler barocker Traumwelten, zählt ebenso dazu wie Salvador Dalí oder William-Adolphe Bouguereau. Parallel studiert Gorev Japanologie und Kunstgeschichte an der Goethe-Universität. Ihre Bachelorarbeit widmet sie der Ayashii-Bewegung um 1900, deren dekadent-mystische Werke von Künstlern wie Tachibana Sayume oder Kainosho Tadaoto mit Verführung und Abgründigkeit spielten, Themen, die auch in ihren Bildern nachhallen.
„Für mich steht Ästhetik im Vordergrund“, betont sie. Politische Botschaften sucht man in ihren Arbeiten vergebens, dafür dominieren Atmosphäre und Stimmung. „Ich möchte, dass meine Bilder die Menschen anregen, über ihr eigenes Leben zu reflektieren.“
Erste Stationen im internationalen Kunstbetrieb hat sie bereits erreicht. Im Sommer zeigte sie ihre Arbeiten in Venedig bei Secret Spaces, im September folgt die Women in Arts Biennale in London. Im Oktober wird sie in Chongqing/China an der Hongyi Jiuzhou International Culture and Art Center Group Exhibition teilnehmen. Eine feste Galerievertretung fehlt jedoch noch. „Ich wünsche mir sehr, dass meine Bilder in fünf Jahren in Museen hängen“ sagt sie mit einem Lächeln. „Und bis dahin suche ich eine Galerie, die mich dauerhaft begleitet.“
Die Preise ihrer Werke zwischen 800 und 2.800 Euro wirken angesichts des handwerklichen Aufwands fast bescheiden. Doch Gorev geht es weniger ums Geschäft als um Sichtbarkeit. „Natürlich ist es schwer, sich in meinem Alter zu behaupten. Aber offenbar überzeugt die Kombination aus klassischer Technik und ungewöhnlichen Motiven und vielleicht auch mein Alter.“

Foto: Edda Rössler
Alexandra Gorev malt, als wolle sie die Welt gegenläufig durchschreiten. Während viele Gleichaltrige die schnelle Geste suchen, setzt sie auf Genauigkeit, Dauer und Symbolik. Das Ergebnis sind Werke, die zeigen, dass jenseits akademischer Bahnen eine ernsthafte, kraftvolle Malerei entstehen kann.
Text und Fotos von Edda Rössler, veröffentlicht am 8. September 2025 in Frankfurter Neue Presse