Sie sucht die Seele der Menschen

Das Nebbienische Gartenhaus in der Bockenheimer Anlage ist ein Ort, an dem die Zeit kurz stillzustehen scheint. Hinter der steinernen Fassade, die schon im 19. Jahrhundert als Refugium gedacht war, entfalten sich derzeit Fotografien, die eine ebenso intime wie welthaltige Bildsprache entwickeln. Die Wiesbadener Fotografin Zerina Kaps, die ursprünglich aus Dessau stammt, zeigt hier eine Werkreihe, die in Griechenland entstanden ist, genauer gesagt in Messolongi nahe Patras, geprägt von Armut, Herzlichkeit und einem ganz eigenen Rhythmus.

„Faces of Freedom“, Fotografien von Zerina Kaps
„Faces of Freedom“, Fotografien von Zerina Kaps

„Mich hat interessiert, wie sich das Thema Freiheit in Gesichtern und Körperhaltungen ausdrückt“, sagt Kaps im Gespräch. Vier Monate verbrachte sie 2023 im Rahmen eines Artist-in-Residence-Programms in dieser Kleinstadt, deren Geschichte eng mit dem griechischen Unabhängigkeitskampf verbunden ist. Dort porträtierte sie Reiter, alte Frauen, Fischer, Tierschützer, junge Männer mit stolzem Blick, Menschen, die in ihrem Alltag von Entbehrung ebenso erzählen wie von Würde. Eine zentrale Figur der Serie ist eine über Neunzigjährige, von allen nur „die Blumendame“ genannt. Stets verteilte sie Blumen aus ihrem kleinen Garten, stets erschien sie auf Festen, mit leuchtenden Augen, voller Lebensenergie. „Sie war für mich Griechenland in Person“, sagt Kaps. Das Bild zeigt eine Frau, die ihre Umgebung verwandelt, schlicht durch Haltung und Gestus.

Eines ihrer großen Vorbilder ist der Fotograf Helmut Newton, zu dem die Nähe ihrer Arbeiten unübersehbar ist. Newtons Frauen waren oft Inszenierungen von Macht, Glamour und Erotik, immer mit einer Prise Provokation. Kaps dagegen sucht die „Seele der Menschen“, und doch verbindet sie mit Newton die kompromisslose Konzentration auf Präsenz. Wo er Körper als Monumente in Szene setzte, betont sie Haltung und Würde. Wo er die Pose als Spiel mit Macht und Verführung verstand, setzt sie auf die Authentizität des Alltags. Gemeinsam ist beiden der unbedingte Respekt vor der Bildkraft eines Menschen. „Ich habe viel Zeit in der Helmut Newton Foundation in Berlin verbracht“, erzählt sie. „Er war ein Schlitzohr, ja, aber auch jemand, der mit unglaublicher Konsequenz seinen eigenen Blick verfolgt hat.“

Gerade in den griechischen Motiven wird dieser Blick spürbar. Die junge Fotografin verzichtet auf exotisierende Folklore. Stattdessen nimmt sie ihre Modelle ernst, so wie sie sind, verschwitzt vom Fischfang, stolz im traditionellen Reiterkostüm oder schlicht mit verschränkten Armen auf einer Bank sitzend. Es sind Bilder, die an Newtons weniger bekannte Porträts erinnern, in denen er Berühmtheiten durch eine fast beiläufige Direktheit entzauberte.

Zerina Kaps erzählt von Begegnungen, die ihr Leben verändert haben. Freundschaften sind entstanden, ein Tierschutzverein wurde gegründet, ein Bildband in kleiner Auflage gedruckt. Sie ist Gründerin des Vereins „Fellnasen“, der sich um griechische Straßentiere bemüht. Auch hier zeigt sich ihre Haltung. Kunst und soziales Engagement sind für sie keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Verantwortung. „Wenn nicht alle daran mitarbeiten, dass andere frei leben können, bleibt Freiheit ein leeres Wort“, sagt sie.

In der intimen Enge des Gartenhauses gewinnen die Werke eine zusätzliche Intensität. Der kleine Raum wird zur mediterranen Bühne, auf der sich Frankfurt und Messolongi begegnen. Wer genauer hinsieht, spürt, dass es weniger um Folklore als um universale Fragen geht. Was heißt Würde? Was bedeutet Freiheit, wenn materielle Armut groß ist? Wie viel Schönheit steckt in Gesichtern, die das Leben gezeichnet hat?

So verlässt man die Ausstellung mit dem Gefühl, dass Fotografie noch immer überraschen kann. Nicht durch große Gesten, sondern durch das insistierende Festhalten eines Blicks. Helmut Newton hätte seine Freude daran gehabt.

„Faces of Freedom“, Fotografien von Zerina Kaps, Vernissage am Donnerstag, 03.10.2025, bis 19.10.2025 im Nebbienischen Gartenhaus, Bockenheimer Anlage 3, 60322 Frankfurt am Main.
Weitere Informationen unter https://frankfurter-kuenstlerclub.de/

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 02.10.2025 in Frankfurter Neue Presse