Weltgefühl in Farbe und Figur – Johannes Heisig in DIE GALERIE Frankfurt

Johannes Heisig, 1953 in Leipzig geboren, Sohn des Leipziger-Schule-Meisters Bernhard Heisig, zeigt in der Frankfurter DIE GALERIE unter dem Titel „Weltgefühl“ die Werkschau einer figurativ-expressiven Malerei. Sie bildet nicht allein ab, sondern ist immer darum bemüht, das Verborgene, die Seele, des Abgebildeten zu enthüllen. Galerist Peter Femfert spricht von einer „Ausstellung der Intensität“, die „Heisigs Fähigkeit zeigt, im Menschen zugleich den Zeitgeist zu malen“.

Peter Femfert, Johannes Heisig und Volker Hauff in der Frankfurter DIE GALERIE Foto Edda Rössler
Peter Femfert, Johannes Heisig und Volker Hauff in der Frankfurter DIE GALERIE
Foto Edda Rössler

Die Eröffnung im September wurde zu einem doppelten Ereignis. Am Nachmittag zuvor wurden im Kaisersaal des Römers die Porträts der ehemaligen Oberbürgermeister Volker Hauff, Andreas von Schoeler und Petra Roth, alle von Heisig gemalt, feierlich enthüllt und dem Historischen Museum übergeben. Nach dem Tod der Dargestellten werden sie im Römer hängen. Heisig fand diese Praxis, wie Femfert berichtet, „antiquiert“. Doch sei er dankbar, dass die Porträts zu Lebzeiten erstmals gezeigt wurden.

„Ich bin das Modell eines Künstlers“, sagte Petra Roth mit leiser Ironie. „Und der bringt das Modell auf die Leinwand, wie er es sieht – verändert, verfremdet vielleicht. Wichtig ist: Ich bin stolz, dass ein so bedeutender Künstler mich porträtiert hat.“ Heisigs Bildnisse sind keine glatten Repräsentationen, sondern psychologisch aufgeladene Erkundungen des Menschen.

In der Ausstellung „Weltgefühl“ entfaltet sich das Spektrum seiner Malerei in seltener Dichte: Landschaften, Stillleben, Selbstbildnisse, szenische Mehrfigurenbilder. Werke aus 25 Jahren begegnen neuen, teils überarbeiteten Leinwänden. Heisig selbst nennt das Verfahren „eine Arbeitsweise der Verdichtung“. „Ich arbeite an einem Bild, bis es mich loslässt“, sagt er. „Manchmal geschieht das nie.“

Das titelgebende „Weltgefühl“ ist kein bloßes Motto, sondern ein künstlerisches Programm. In seiner Einführungsrede sprach Volker Hauff, selbst Porträtierter, von einem „großen Wort“, das ihm zunächst „zu pathetisch“ erschien, bis Heisig erklärte, dass es das sei, „was mich in meiner Malerei am treffendsten beschreibt“. Hauff sagte: „Er zeigt uns nicht nur Individuen, sondern ihre Eingebundenheit in Zeit, Schicksal, gemeinsame Geschichte. Seine Malerei zwingt uns, nicht wegzuschauen.“
Heisig lebt heute in einer kleinen Gemeinde in Brandenburg. „Jenseits von allem“, wie eine Galeriemitarbeiterin sagt. Dort entstehen nahezu metaphysische Bilder wie etwa „Aussicht am Dornbusch (Hiddensee)“ oder „Coltrane II, Africa/Brass“ (2025), eine Hommage an den Jazz als „Form spiritueller Energie“.

Die Oberfläche seiner Gemälde scheint oft in Bewegung begriffen. Farbfelder stoßen gegeneinander, Figuren tauchen auf und versinken zugleich in einem gestisch aufgeladenen Raum. Diese Struktur, Nähe und Ferne, Körper und Geist, all das gehört zum Erbe der Leipziger Schule, die Heisig, Schüler und Sohn Bernhard Heisigs, weiterentwickelte.

In der oberen Etage der Galerie verdichtet sich diese Haltung in neueren Selbstporträts. Besonders eindrucksvoll ist „Mit Palette“ (2019–2025): der Künstler in nachdenklicher Haltung, zwischen Konzentration und Müdigkeit, umgeben von Spuren seines Schaffens. Auch das Bild „Atelierecke mit Johannes-Puppe“ (2025) zeigt die Ambivalenz des Selbst.

Typisch Heisig ist die Lust am Überarbeiten, am Eingriff ins scheinbar Fertige, eine Haltung, die seine Malerei zum Prozess macht. Galerist Femfert sagt: „Heisig malt keine schönen Bilder. Er malt wahrhaftige. Und das ist in unserer Zeit, die von der Flut digitaler Oberflächen geprägt ist, fast ein revolutionärer Akt.“

Am Ende bleibt der Eindruck einer Ausstellung, die das empathische Moment von Kunst betont. Sie erinnert daran, dass Malerei nicht dekoriert, sondern deutet, dass sie uns nicht entlässt, sondern mit der Welt und ihren Widersprüchen konfrontiert.

Ausstellung:
Johannes Heisig – Weltgefühl
DIE GALERIE, Grüneburgweg 123, Frankfurt am Main
bis zum 19. November 2025

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 14. Oktober in Frankfurter Neue Presse