„Zwischen Banken-Towers und Bahnhofsviertel: Unser Film passt perfekt nach Frankfurt“
![Daniel Hösl, Julia Niemann: „Frankfurt ist für uns eine der spannendsten Städte Deutschlands, fast wie ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Die Nähe zwischen den Banken, dem Bahnhofsviertel und Orten wie Offenbach zeigt das Nebeneinander von Luxus und Alltag auf eine postmoderne Weise.“ Gern würden sie für den Hessischen Rundfunk drehen. „Das wäre eine perfekte Stadt für uns. Wir lieben Frankfurt – und nicht nur wegen der grünen Soße“, schmunzeln sie. Foto: Anne Schütz](https://arts21.de/wp-content/uploads/2025/01/veni-vidi-vici_niemann-julia_hoesl-daniel_foto-anne-schuetz-1024x683.jpg)
„Frankfurt ist für uns eine der spannendsten Städte Deutschlands, fast wie ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Die Nähe zwischen den Banken, dem Bahnhofsviertel und Orten wie Offenbach zeigt das Nebeneinander von Luxus und Alltag auf eine postmoderne Weise.“ Gern würden sie für den Hessischen Rundfunk drehen. „Das wäre eine perfekte Stadt für uns. Wir lieben Frankfurt – und nicht nur wegen der grünen Soße“, schmunzeln sie.
Foto: Anne Schütz
Das Regie-Duo Julia Niemann (1987) und Daniel Hoesl (1982) reiste am Mittwoch eigens von Wien nach Frankfurt, um bei dem Deutschlandstart ihres beim Sundance Filmfestival uraufgeführten Filmes „VENI VIDI VICI“ im Cinema Filmtheater dabei zu sein. Dabei ist es kein Zufall, dass die Premiere in Frankfurt stattfand. „Nirgends ist die Diskrepanz zwischen Banken-Towers und Bahnhofsviertel so offensichtlich wie in Frankfurt. Man sieht hier die Spaltung der Gesellschaft fast greifbar“, sagt Hoesl.
Wie der Einfluss von Geld ethische Maßstäbe aushebelt, davon handelt ihre Filmsatire. „Die Reichen sind so anders als wir“, formulierte einst der amerikanische Schriftsteller F. Scott Fitzgerald, Autor des „Großen Gatsbys“. Sein Kollege Ernest Hemingway sah das pragmatischer: „Ja, sie haben mehr Geld.“ Doch „mehr Geld“ verleiht Macht und schnell kann Macht missbraucht werden, fallen Kontrollinstanzen aus. Alle außer den Superreichen sind im Film „VENI VIDI VICI“ Freiwild.
Die von einer ebenso überzeugenden wie facettenreichen Ursina Lardi gespielte „Viktoria“ und „Amon Maynard“ alias Laurence Rupp, der sympathische Killer mit Herz und Familiensinn, führen mit ihren drei Kindern, allen voran die grandiose Olivia Goschler, ein scheinbar perfektes Leben voller Luxus und Macht. Allein schon die Lässigkeit, mit der Goschler eine Kalaschnikow lädt, kann jeden Waffenmeister ins Staunen versetzen. Doch hinter der glänzenden Fassade, in der Wokeness und Achtsamkeit den Ton angeben, verbirgt sich Abgründiges. Amon jagt Menschen in einem tödlichen Spiel, um seine Lust und Work-Life-Balance zu befriedigen. Weder Politik noch Polizeibehörde, die sich korrumpierbar zeigen, bieten Einhalt. Selbst die Presse, die in Kult-Filmen wie die „Unbestechlichen“ mit Dustin Hoffman und Robert Redford in den Hauptrollen in der Watergate-Affäre für Aufklärung und Einhalt sorgte, entpuppt sich im Film als lahmer Tiger, der zum Handlanger und Diener des schnöden Mammons alias Amon herabsteigt.
Der dekadente Lifestyle der Superreichen, nahezu als Beleg für deren Ethik-Verlust, wird mit eindrucksvollen Bildern geschildert. Hier bewegt man sich im Kreis von Milliardären, von denen es in Österreich geschätzt ein Dutzend mit zumeist Wohnsitz in Wien gibt. Gedreht wurde in deren prächtigen Villen und Niederösterreich, dabei wirken die Schauplätze nahezu surreal. Im Wohnzimmer hat man selbstverständlich einen Swimmingpool und springt direkt vom Sofa ins Wasser. In neonfarbenen Kostümen, Jeff Koons könnte Pate stehen, und putzigen Maskeraden verwandeln sich die Kinder bei Partys in Märchenfiguren und für Papa steht gleicht ein Dutzend Porsches zur Verfügung. Das Unästhetische und Schlechtgekleidete gehören ins Reich der Armen. Derweil changiert Mama zum Zeitvertreib und aus Langeweile als Pflichtverteidigerin fürs Volk. Nie fehlt ein obligatorisches Gläschen Champagner, und die Musik im Hintergrund darf schon mal ein Wiener Walzer sein. Kitsch und Kommerz gehen Hand in Hand.
Für Niemann und Hoesl war die Authentizität des Milieus entscheidend: „Wir haben uns das Umfeld der Milliardäre genau angeschaut, um es so akkurat wie möglich darzustellen.“ Dabei half, dass die beiden bereits durch frühere Filme über Eliten und Finanzwelt einen Fuß in diese Kreise setzen konnten. Den Zugang ermöglichten zudem Kontakte zur Kunstwelt, Galerien und Künstler „Es ist erstaunlich, wie nah Kunstwelt und Geldadel oft zusammenliegen. Wir haben viele Anekdoten gehört, die wir in unseren Film einfließen lassen konnten“, erzählt Niemann.
Obwohl der Film deutliche Kritik an gesellschaftlichen Ungleichheiten und Machtmissbrauch übt, schwingt stets ein gewisses Staunen über die luxuriöse Welt der Superreichen mit. „Faszination ist vielleicht nicht das richtige Wort“, so Hoesl, „aber eine gesunde Neugier, diesem Thema gegenüber, ist definitiv da.“ Die Regisseure machen klar: Ihr Film will keine fertigen Lösungen präsentieren. Vielmehr soll er wachrütteln.
Das funktioniert. Da bekommt der Zuschauer durchaus auch dann Gänsehaut, wenn Papa Amon wie ein lustiger Clown seinen Milliardär-Kollegen Elon Musk bei der Eröffnung einer Batteriefabrik persifliert. „Wir möchten, dass die Zuschauer sich nach dem Film angesprochen fühlen, sich aktiv mit den Themen auseinandersetzen – anstatt nur mit Popcorn in der Hand nach Hause zu gehen.“
Fest steht: Niemann und Hoesl haben mit ihrem Werk eine scharfe und kluge Satire geschaffen, die zum Nachdenken und Diskutieren einlädt. Cineastische Highlights wie ausgeklügelte Schnitte, präzise Kulissen, prägnante Farbgebung, Kostüme und Filmmusik inklusive.
Text von Edda Rössler
Veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse am 10. Januar 2025