Eine Hommage an die Konkrete Kunst

Ausstellung „Papier – Eisen-Glas“ zeigt, dass weniger oft mehr ist

Galeristin Marina Grützmacher und Künstler Alwin Dorok: „Viel Schwarz mit einem Hauch Magenta“ Foto: Edda Rössler
Galeristin Marina Grützmacher und Künstler Alwin Dorok: „Viel Schwarz mit einem Hauch Magenta“
Foto: Edda Rössler

Was unter dem sachlichen Titel „Papier – Eisen – Glas“ im Kunstraum Bernusstrasse daherkommt und zunächst eher an Baumarkt oder an eine Containersammlung für nachhaltiges Entsorgen erinnert, hat es faustdick hinter den Ohren. Der nüchterne Dreiklang thematisiert zum einen die von den Künstlern bevorzugten Materialien und signalisiert, dass es sich um drei Künstler handelt. Werke von Alwin Dorok (63), Wulf Kirschner (77), und Reinhard Roy (76), allesamt Meister ihres Faches, zeigen die Bandbreite „konkreter Kunst“. Daher die Titelergänzung „Geometrie, Form und Struktur.“

„Die Idee zur Ausstellung wurde an mich herangetragen“, erklärt Galeristin und Kuratorin Marina Grützmacher bescheiden, die in der Vergangenheit bereits mehrfach Werke der Künstler Alwin Dorok und Reinhard Roy vorstellte. Zudem konnte sie noch Wulf Kirschner hinzugewinnen, dessen Arbeiten einen frischen Akzent setzen.

Wulf Kirschner präsentiert geometrische Skulpturen in verschiedenen Formaten, die er mit Schiffbaustahl und Chromnickel zusammen-schweißte. „Er ist in Hamburg aufgewachsen, sein Vater war Schiffsbauer“, erklärt Grützmacher die Affinität zum Material. Egal, ob „Zwei Pyramiden“, „Platonische Körper“ oder das „Sechskantprisma“, seine exakt gefertigten Werke lechzen nicht nach Interpretation. Form und Oberfläche geben den Ton an. Sie existieren und das reicht. Ihre Präzision, Unbestechlichkeit und Klarheit verwandeln sie zu Rätsel, die sich einem oberflächlichen Blick und dem spontanen Dialog verschließen. Darüber hinaus zeigt er Reliefs, die er ebenfalls aus den gleichen Materialien schuf. Inmitten dieser Werke entdeckt man das „Buchobjekt“, das aus vier aufgeklappten Blättern besteht. Auch hier richtet sich der Blick auf die Form und das Material. Fehlanzeige, wer auf Texte und Buchstaben setzt. Genauso bei der „kleinen Buchseite mit Löchern“. Alles ist nahezu greifbar, lädt zum Entschlüsseln ein, um sich gleichzeitig von jeder Interpretation zu distanzieren. So wie die Löcher in der Buchseite. Spaß macht das allemal und wer weiß, vielleicht begegnen wir einem Konfettiberg in seiner nächsten Ausstellung.

Henri Matisse hätte über die Farbpalette des Alwin Dorok geschmunzelt. Denn bei dessen Ölbildern dominiert Schwarz, nichts als schwarz. Im Hintergrund lockt ein leichter Rosastreifen, der aber, darauf besteht der Künstler, Magenta sei. Die Frage, ob er in Anbetracht der düsteren Ausdrucksweise Pessimist sei, verneint er. „Eigentlich“, so Dorok, „habe ich jahrzehntelang Schwarz sogar abgelehnt.“ Was ihn aber plötzlich an Schwarz fesselt, sind die „Lichtspiele, die hier entstehen.“ Wie etwa der magentafarbene Streifen im Hintergrund, der auf Goethes Farbtheorie zurückgeht. Der Universalgelehrte erkannte, dass beim Zusammenschieben schwarzer Flächen Prismen entstehen. Auf der einen Seite erkenne man Grün, Türkis und Blau, auf der anderen Seite Gelb, Orange und Rot. „Schiebt man das zusammen, entsteht Magenta“. Auch wenn es nach Physikunterricht klingt, es funktioniert. Genauso wie andere Werke des Künstlers, wie etwa das Triptychon, das aus Rost und handgeschöpftem Papier gefertigt ist.

Die Objekte von Reinhard Roy sind aus Papier, Pappe und Holz kreiert. Genau wie bei seinen aus Rasterstrukturen entwickelten Gemälden dominiert die Farbe Blau, wobei er einen mittleren Farbton fand, der zwischen einem tiefen Dunkelblau und einem Himmelsblau schwebt. Selten wirkt die Farbe Blau so luzid und transparent. Selbst wenn er sie mit einem schwarzen Streifen, der teilweise wieder ins Blaue wechselt, begrenzt. Bei Roys Werken erkennt man die Grandezza der Konkreten Kunst, die auf Mischtöne verzichten kann.

Die Ausstellung „Papier-Eisen-Glas, Geometrie Form und Struktur“ ist noch bis zum 11. Januar 2025 geöffnet. Weitere Informationen unter kunstraum-bernusstrasse.de/

 

Veröffentlicht am 11. Dezember 2024 in Frankfurter Neue Presse
Text und Foto von Edda Rössler