Holmead: Ein transatlantischer Blick auf Europa

Expressive Shorthand-Paintings mit Biss, Zeichnungen und Landschaften mit verklärtem Blick bei Hanna Bekker vom Rath

"Holmeads Kunst ist voller Leben, sie zeigt das Schöne, aber auch das Groteske, das uns tagtäglich umgibt", sagt Galeristin Christina Veit. Foto: Edda Rössler
„Holmeads Kunst ist voller Leben, sie zeigt das Schöne, aber auch das Groteske, das uns tagtäglich umgibt“, sagt Galeristin Christina Veit.
Foto: Edda Rössler

Es gibt Künstler, die man nicht entdeckt, sondern wiederentdeckt.
Wie etwa Clifford Holmead Phillips (1889 – 1975), dessen Werke jetzt anlässlich seines 50. Todestages die Wände der Galerie Hanna Bekker vom Rath bespielen. Zu sehen sind bislang unveröffentlichte Zeichnungen des in Pennsylvania geborenen Künstlers, alle auf seinen Reisen durch Europa entstanden. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen allerdings seine herrlich erfrischenden „Shorthand Paintings“ im expressiven Duktus. Landschaftsgemälde komplementieren die Einladung in die Welt von „Holmead“, wie er sich selbstbewusst nannte. So bietet die Werkschau Einblick in die Wahrnehmung Europas aus der Perspektive eines amerikanischen Expressionisten und dokumentiert zugleich dessen Mut zur Avantgarde.

Holmeads Schaffen wurde von seiner lebenslangen Faszination für die europäische Kultur geprägt. Der Künstler, der aus wohlhabendem Haus stammte, tauschte als junger Mann sein erstes Automobil, ein Geschenk seiner Eltern zur Volljährigkeit, gegen eine Schiffspassage nach Europa. Dort ließ er sich zunächst in Brügge nieder und unternahm ausgedehnte Reisen nach Frankreich, Italien oder Skandinavien. Er besuchte Museen und bildete sich als Autodidakt künstlerisch weiter. Skizzenhafte Zeichnungen, die in den 1920er Jahren auf der Tour durch Europa entstanden, thematisieren Architektur und immer wieder spürt man seine Hingabe an ein Idealbild von der „alten Welt“.

Von einem gänzlich anderen Kaliber dagegen sind die im mittleren Format angefertigten „Shorthand-Paintings“, die in den 60er und 70er Jahren entstanden. Hier trägt er rasch mit dem Spachtel Ölfarbe auf Holz auf. Diese Porträts kennzeichnet eine brutale Unmittelbarkeit, so als er hätte er sich in die Gesichter hineingegrätscht. Die Darstellung der zumeist zufällig auf der Straße oder in der Straßenbahn beobachteten Personen erfolgt in einem reduzierten, expressiven Stil. Die Gesichter füllen die Leinwand, und gerade indem er sich mit nur flüchtiger Andeutung auf das Wesentliche konzentriert, gelingen fesselnde Typisierungen. Zu gerne würde man mehr erfahren über den „schwarzhaarigen Mann mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte“ oder dem schrulligen rothaarigen Professor, dessen Markenzeichen eine eckige Brille und ein rosa Schal sind. Einer Filmszene gleicht das Doppelporträt zweier wild agitierenden Männer. Holmead rückt Gesicht an Gesicht, die Nasenspitze des einen liegt eng am Auge seines Kontrahenten. Noch ist das Duell nicht entschieden und der Betrachter hält den Atem an. „Wenn ich mit einer Leinwand mehr als fünf oder acht Minuten herumpfusche, bekomme ich ein Postkartenbild, das man nicht gelten lassen kann“, schrieb er 1970 an seine Tochter. Diese Spontaneität spiegeln sich in den Gemälden wider, die durch gestische Farbaufträge und Dynamik bestechen.

Holmeads künstlerische Karriere war eng mit den kulturellen Strömungen Europas verbunden. In Paris kam er mit Künstlern wie Marcel Duchamp in Kontakt und stellte in renommierten Galerien wie Bernheim-Jeune und Durand-Ruel aus. Bei seinen Vernissagen traf sich die mondäne Welt. Doch der Zweite Weltkrieg unterbrach seinen Erfolg abrupt. Die Schließung seiner Ausstellung in Oslo im Jahr 1940 markierte einen dramatischen Einschnitt. Zeitweise kehrte er wieder in die USA zurück. 1956 entschied er sich, dauerhaft in Brüssel zu leben, wo er bis zu seinem Tod 1975 künstlerisch tätig blieb.

Die Ausstellung „Holmead – Europäische Porträts“ ist noch bis zum 8. März geöffnet.

Weitere Informationen unter galeriehannabekkervomrath.de

Text und Foto von Edda Rössler