„Nicht nur das Haus vom Nikolaus“

15 Künstlerinnen und Künstler interpretieren den zentralen Lebensraum

Fiebig, hockend Malgorzata Scholz (Malgo), Volker Steinbacher, Jan-Malte Strijek, Margarete Berghoff, Walter H. Krämer Foto: Edda Rössler
Fiebig, hockend Malgorzata Scholz (Malgo), Volker Steinbacher, Jan-Malte Strijek, Margarete Berghoff, Walter H. Krämer
Foto: Edda Rössler

Viel wurde in diesem Jahr anlässlich des bevorstehenden 100jährigen Jubiläums des „Neuen Frankfurt“ über Architektur und Wohnen diskutiert. Da setzt eine originelle Ausstellung mit Werken von 15 regionalen Künstlern in der von Jutta Uhlendorf-Baier geleiteten Galerie Bilderhaus weitere Impulse. Zugegeben, nicht alle Interpretationen würden den Statiker überzeugen, laden aber zum Träumen und zum Hinausschauen über den pragmatischen architektonischen Tellerrand hinaus. „Ich bin überrascht von der Vielfalt der Ideen“, so Uhlendorf-Baier über die eingereichten Werke. Die Bandbreite reicht von Sozialkritik bis hin zu humorvollen und spielerischen Ansätzen.

Mit von der Partie sind die Künstler Christine Fiebig, Maike Häusling, Jutta Hilscher, Franz Konter, Walter Krämer, Ruth Luxenhöfer, Andreas Masche, Ilona Metscher, Leonore Poth, Rainer Raczinski, Julia Roppel, Malgo Scholz, Volker Steinbacher und Jan-Malte Strijek. Auch die Jugend Kultur-Werkstatt Falkenheim Gallus e.V.) ist mit zwei Skulpturen, einem abstrakten Dreieck und einem in der Mitte offenen Rechteck aus Tuffstein, vertreten.

Was bedeutet ein Haus? Ist es Schutzraum, Symbol der Gemeinschaft oder Ausdruck von Individualität? Um diese zentralen Fragen kreisen Zeichnungen, Radierungen, Gemälde, Fotografien und Installationen. Jeder Künstler begegnet der Fragestellung mit Antworten aus seiner Welt, löst eine Frage und bringt gleichzeitig viele neue Ideen ins Spiel.

Christine Fiebig, eine versierte Zeichnerin, setzt stilistisch auf Monotypie und Pastell und inszeniert humorvoll ein „Nikolaus-Wolkenhaus“, das wie eine spielerische Kindheitserinnerung in weiteren Arbeiten wiederkehrt. Die Collage von Walter H. Krämer führt Theater und Kunst prägnant zusammen: Seine Arbeiten, inspiriert von der Dynamik der Bühnenwelt, spiegeln die Begegnungen und Interaktionen wider, die in gemeinschaftlichen Räumen stattfinden. Ob es auch als ein Plädoyer für den Erhalt des Schauspiels am bekannten Standort gedacht ist? Ilona Metscher, eher sozialkritisch und monochrom verortet, schafft mit farbintensiven Darstellungen von Wohnhäusern am Fluss eine poetische Verbindung zwischen Natur und Architektur. Ihre Werke regen zum Nachdenken über den Einfluss von Farbe im Raum an.

Eine nahezu mythische Interpretation des Themas bietet die Malerin Julia Roppel. Ihr dynamisches Gemälde „Meerblick“, in dem sie Acrylfarbe und Bleistift auf Zeitungspapier auftrug, zeigt einen von Wellen umspielten Tempel, der sowohl Rückzug als auch Gemeinschaft ermöglicht. Hier möchte man gerne wohnen. Ebenso fantasievoll, wenn auch weniger gestisch, kommt eine Radierung in kleinem Format von Volker Steinbacher daher. Sie besticht mit der durch das Passepartout
erreichten Form eines stilisierten Hauses. Im Inneren wirbeln Strömungen wild durcheinander und fast ist man versucht, um den Erhalt zu fürchten. Doch der Klang molliger Orangetöne sorgt für die nötige Prise Harmonie.

Ein weiteres Highlight sind die Arbeiten der ehemaligen Kostümbildnerin Margarete Berghoff, die sich mit der „ersten Behausung“ des Menschen im Mutterleib auseinandersetzt und zudem ein kleines Häuschen aus Holz, Wachs, Blattgold und Kohle zimmerte. Wie in einem romantischen Märchen erkennen wir viele kleine Accessoires und Erinnerungssstückchen. Ihre Werke erinnern an die Ursprünge des Lebens und an emotionale Geborgenheit, die ein Wohnraum bieten kann. Ruth Luxenhofers Kaltnadelradierung „Nest“ komplementiert den psychologischen Ansatz, wenn auch forscher und kühner. Bei ihr wird das Leben im Nest zum Risiko.

Abgehoben geht es bei dem Fotografen Rainer Raczinski zu. Er zeigt eine seiner typischen Polaroid-Aufnahmen eines futuristischen Hauses des finnischen Architekten Matti Suuronen, das an ein Ufo erinnert. Das Gebäude könnte auch aus dem Film „Clockwork Orange“ stammen und fast erwartet man, dass Stanley Kubrick aus dem Fenster schaut. Der Realität entschweben kann man zudem mit dem lyrischen Ölgemälde von Malgo Scholz, in dem das Haus dem Himmel schon sehr nahekommt.

Jan-Malte Strijek bringt mit seiner kolorierten Bleistiftzeichnung „Das Haus brennt – Thüringen 2024“ Sozialkritik ins Spiel. Ein Schelm, wer in dem dargestellten blauen Mob Personen aus der Politbühne erkennt.

Franz Konter präsentiert beschwingte Tuschezeichnungen, die die Galeristin Uhlendorf-Baier „an spontan über einen Tisch geworfene Decken erinnern“, darunter verstecken sich Kinder in ihrem Fantasiehaus. „Mir geht es um die Brüche“, so der Künstler. „Wenn man genauer hinguckt, zerfallen die Darstellungen in Form und Leere“. Künstler Andreas Masche zeigt den Kaiserdom und das alte Polizeipräsidium als Monotypie, während sich Leonore Poth dem ganz speziellen Frankfurter Thema „Baustelle“ in Form von Radierungen verschreibt. Ruhig und zurückgenommen, so kommen die Farbfotos von Jutta Hilscher daher, die gerne Details wie Fassade und Fenster zeigt. Maike Häuslings Lithografie „Gründerrodestraße“ interpretiert eine besondere Facette des Wohnens: den Umzug.

„Die Werke in dieser Ausstellung zeigen, dass das Haus weit mehr ist als nur ein physischer Ort – es ist ein emotionaler, sozialer und kultureller Raum“, davon ist die Galeristin überzeugt. Zuweilen ist es ein humorvoller Ort. Aus der Ideenkiste der Galeristin stammt eine Leinwandarbeit, in deren Mitte ein aufgeklebter Schokoladen-Nikolaus zappelt. Allerdings ist das Werk zu einem erheblich günstigeren Preis erhältlich als die vor kurzem versteigerte Kunst-Banane. Alle Exponate, mit Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest, sind mit Preisen um die 300 Euro, erschwinglich und eine lohnenswerte Investition.

Die Ausstellung ist noch bis zum 22.12.2024 geöffnet. Weitere Informationen unter www.das-bilderhaus.de

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 12. Dezember 2024 in Frankfurter Neue Presse