Zehn Künstlerinnen, ein Mythos: Wenn Venus zur Emanzipations-Reise wird

„Summit of Love“ klingt nach Flower Power und Hippie-Idylle, doch in der Heussenstamm Galerie wird daraus eine farbenprächtige Expedition in die Gegenwart, bei der Weiblichkeit jenseits alter Klischees im Mittelpunkt steht. Das Malerinnen-Netzwerk FRANK* lädt zur Gruppenschau „Summit of Beauty and Love“ ein. Zehn selbstbewusste Künstlerinnen, begleitet von acht „Friends“, loten aus, was Frausein heute bedeutet. Dabei bewegen sie sich im Spannungsfeld von Mythos, Körperbild und persönlicher Befreiung. „Das Zeitalter der eindimensionierten Sexbombe ist passé“, so Galerieleiter Christian Kaufmann. „Heute rücken sich die Künstlerin und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund.“

Galerieleiter Christian Kaufmann mit Künstlerinnen des Summit of Beauty and Love Foto: Edda Rössler
Galerieleiter Christian Kaufmann mit Künstlerinnen des Summit of Beauty and Love
Foto: Edda Rössler

Von Botticellis Venus bis zur Pop-Ikone der 60er, stets war das Idealbild der Frau geprägt von männlicher Projektion. Die Ausstellung wendet sich diesem Kanon zu, bricht ihn auf und setzt eigene Akzente. Eva Schwab etwa schickt in dem großformatigen Werk „From Cradle to Cradle“ eine entkörperlichte Venusgestalte ins muschelrote Wasser, was zugleich an präraffaelitische Elfenmythen wie an den Kreislauf der Natur erinnern. Dabei nähert sich ihr Spiel zwischen Verhüllen und Entblößen künstlerischen Positionen Lucian Freuds ebenso wie an die organischen Formen von Georgia O’Keeffe.

Isabel Friedrich hebt die Malerei ins Lyrische. Ihr Ölgemälde „Wo bleibt die Musik wenn sie gehört wurde“ gleicht einer surrealen Postkarte: Bunte Ballons steigen über einen schachbrettartig gemusterten See, hinter dem neblige Gipfel verschwimmen. Die filigrane Farbschichtung lässt Pastelltöne und harte Linien tanzen, ein Dialog von Leichtigkeit und Struktur fesselt den Betrachter. „Die Ballons stehen für spielerische Freiheit, die schachbrettartige Fläche für gesellschaftliche Vorgaben“, erklärt Friedrich. „Weiblichkeit ist ein Ausbalancieren von Gegensätzen.“

Toni Wombacher, Kuratorin und Ideengebern der Ausstellung, schuf die Installation „Venusfalle“, in der Stoff und Licht zu begehbaren Höhlen verwachsen. Das Werk vereint beides: eine raumgreifende Hommage an Joseph Beuys’ sozialen Skulpturen und Louise Bourgeois’ textile Architekturen. Filigrane Netze dienen als Metapher für gesellschaftliche Erwartungen, unter denen sich der weibliche Körper formt und wieder löst.

Locker und kollegial mischen die „Friends“ mit. So baut Olga Cerkasova
beschwingte „Nipples“ aus Flussteinen und Gips, während Corinna Mayer ihre vertrauten Zeitreisenden auch in intimen Situationen begrüßt. Etwa in dem Ölgemälde „In der Wanne planschen“ erlebt der Betrachter voyeurhaft Momente der Toilette. Motive, die seit dem Barock bis hin im Impressionismus, das Auge erfreuen.

Newcomer mit Potenzial Robert Schittko präsentiert mit der keramischen Serie „The Enemy Ghost“ Fragmente einst intakter Gefäße. Sie stehen auf weißen Podesten, bedruckt mit den Porträts junger Freunde, die er zuvor nackt fotografierte. Der Kreislauf aus Plastik, Bild und Zerstörung entlarvt tradierte Männlichkeitsbilder als brüchig. „Es geht um das Zersetzen der Männlichkeit und Verletzlichkeit“, sagt Schittko.

Künstlerin Julia Roppel lotet in ihren Landschaften eine natürliche, ungebrochene Schönheit aus. Mit pastosem Farbauftrag entstehen Meeresblicke, in denen Rosé- und Azur­töne pulsierend ineinanderfließen. Parallel übermalt sie Doppelseiten der Kunstzeitschrift „Montez Express“. „Mich reizt, wie sich die „Summer-of-Love-Ästhetik“, ein Ausdruck der Lebensfreude wie man sie im Kunstverein Familie Montez erlebt, mit Landschaft vereint“, erklärt Roppel und schafft so einen lebendigen Dialog zwischen Grafik und Natur.

Tatiana Urban rückt den Blick auf den Symbolcharakter der Flora und präsentiert mit dem mit lockeren Pinselstrichen gemalten Acrylgemälde „Die Myrthe der Venus“ eine hoffnungsvolle Botschaft ins Reich der Liebe und der Schönheit.

Zweigeschossig breitet sich die Schau aus, wobei jede Etage ein eigenes Kapitel der Emanzipation, von der ersten feministischen Welle bis zu heutiger Genderfluidität erzählt. Der Besucher erlebt kein starres Manifest, sondern eine lebendige Debatte, die alle Facetten einschließt: Spaß, Schmerz, Lust und Leichtigkeit.

Wer sich immer noch fragt, ob Weiblichkeit ein Kaleidoskop oder ein Korsett, ein Privileg oder eine Befreiung ist, findet in dieser Ausstellung zahlreiche Hinweise. Fest steht: Die Spurensuche geht weiter.

Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Juni geöffnet.
Weitere Informationen unter https://heussenstamm.de

Teilnehmende Künstler:
FRANK*: E.M.C. Collard, Isabel Friedrich, Hyeonyoung Lee, Ekaterina Leo, Justine Otto, Julia Roppel, Sarah Schoderer, Eva Schwab, Tatiana Urban, Toni Wombacher
Friends: Olga Cerkasova, Ben Gencarelle, Lena Grewenig, Nandu Kriesche, Tina Kohlmann, Corinna Mayer, Robert Schittko, Liu Xue

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 31. Mail 2025 in Frankfurter Neue Presse