An die 17 Leinwände unterschiedlicher, zumeist größerer Formate der in Münster geborenen Künstlerin Julia Steinberg bespielen die Galeriewände im Kunstraum Bernusstraße. In der unteren Etage präsentiert die Meisterschülerin von Norbert Tadeusz (Kunstakademie Düsseldorf) knallbunte Ölgemälde, die sich mit imaginären Landschaften und Wolkenhimmel auseinandersetzen. Im oberen Stockwerk laden Collagen und Grafiken auf Papier ebenfalls zum Eintauchen in ihre Bildwelt ein. Hier stehen allerdings, wie sie lapidar formuliert, „Maschinen“ in surrealer Umgebung im Vordergrund. Farbreliefs aus Steinguss, in denen sie jeweils mit nur einer Farbe und deren Nuancen spielt, runden ihre Ausstellung ab.
Kontrastierend zu der Farbexplosion Steinbergs, auf den ersten Blick leise und zurückgenommen, kommen die Skulpturen des Frankfurter Bildhauers Simon Vogt daher. Doch auf den zweiten Blick haben es die kleinen Monumente aus Sandstein und seine raumgreifenden, aus Basaltlava oder Kalkstein geformten Objekte faustdick hinter den Ohren. Sie alle gleichen Zitaten, die im Raum schweben und über das Leben berichten.
Mag man sich bei Steinberg noch an die Farbgebung der Fauves, der wilden Spätimpressionisten erinnern, ist sie von deren Emotionalität und ihrem flirrenden Pinselstrich meilenweit entfernt. Typisch für Steinberg ist ein großflächiger, ruhiger Farbauftrag, der Pinselduktus und Geste ausschließt. Nichts bleibt dem Zufall, dem Spontanen überlassen. Nahezu geometrische, auf das Äußerste reduzierte Symbole, die an architektonische Zeichnungen zeichnen, prägen den Bildeindruck. „Meine Arbeiten sind präzise angelegt, es gibt einen Plan, der mit den Farben wächst“, sagt Steinberg.
Der Plan funktioniert. Nur der erfahrene Maler, nur die sichere Hand, vertraut einer derart reduzierten, grafischen Darstellung. Ihr zielsicherer Umgang mit Farbe, das Ausloten und breitbandige Aneinanderlegen von helleren und dunkleren Farbflächen, schafft Bildgeschehen und sorgt für Plastizität. Man fühlt sich an Bühnenbilder erinnert und somit erscheint die implizite Lichtgebung selbstverständlich. Die Szenerie glänzt im Scheinwerferlicht. Gleichwohl kann der Betrachter nicht mehr in ihren Wäldern, Seen und Bergen eintauchen und sich der Natur verbunden fühlen. Steinbergs Referenz an Natur lädt zwar ein ins Bildgeschehen, lässt aber den Betrachter nur anklopfen, nie eintreten. Und vielleicht ist es genau das, was den Reiz der Malerei von Julia Steinberg ausmacht.
Der Frankfurter Bildhauer und Künstler Simon Vogt verfolgt den entgegensetzten Ansatz. Bei seinen quirligen Objekten, oft stammen die Steine aus der Eifel, steht das Material im Vordergrund. „Ich bin kein Konzeptkünstler, der eine Idee hat und danach das Material bearbeitet“, sagt er. „Man soll den Stein nicht vergewaltigen, sondern das, was in ihm steckt, zur Geltung bringen.“ Auch aus diesem Grund bietet er seine Objekte zweigeteilt an. Auf einer Seite belässt er den Stein in seiner ursprünglichen Form, die andere Seite wird bearbeitet. Schon beim ersten Betrachten möchte man die Skulpturen und mit ihren haptischen Angeboten anfassen und betasten.
Galeristin Marina Grützmacher gelingt mit der aktuellen Ausstellung „Julia Steinberg: Landschaft mit Wolken“ und Simon Vogt: „Skulpturen“ etwas Verblüffendes. Ihr Kalkül, Kunst mit expressiver Farbgebung und in sich ruhende Skulpturen in Naturfarben in einen wohltemperierten Dialog zu bringen, geht auf. Vorausgesetzt, es handelt sich bei den Künstlern um Virtuosen wie Julia Steinberg und Simon Vogt.
Die Ausstellung ist noch bis zum 16. März geöffnet.
Weitere Informationen unter www.kunstraum-bernusstrasse.de
Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 17. Februar 2024 in Frankfurter Neue Presse