Kaum ein anderer Sport begeistert Jugendliche so nachhaltig wie Fußball. Diese Faszination erleben an die 300 junge Sportfans im Eschersheimer Traditionsverein Concordia hautnah. Dort hat man die Lockdown-Phase genutzt, um den Sportplatz, im Verein liebevoll „Rosegger“ genannt, neu zu gestalten. Seit ein paar Tagen umranden sechs meterhohe Graffitiwände, alle vom Graffiti-Künstler Sebastian Stehr gesprayt, den gepflegten Kunstrasen.
Das Medium ist zugleich die Botschaft, denn die poppigen Kunstwerke zeigen junge Sportler und ihre Fans, wobei die Motive mit Appellen versehen sind, die den Vereinsgeist widerspiegeln. Da ist die Rede von Respekt, Fairness, Leidenschaft und Teamgeist, ebenso wie ein klares Bekenntnis gegen Rassismus. Auf einem Graffiti balanciert ein im Rollstuhl sitzender Fußballer einen Ball, denn Inklusion ist bei der Concordia selbstverständlich.
Die Idee und das Konzept zur Verschönerungsmaßnahme stammen von der Frankfurter Grafikerin Meike Helberger, deren beiden Söhne im Verein spielten. „Über zehn Jahre saß ich regelmäßig auf der Zuschauertribüne und drückte meinen Jungs die Daumen“, berichtet die quirlige Fußball-Mom mit den langen blonden Haaren. Dabei fiel ihr auf, dass die Wände mit Sprüchen verunziert wurden, die nicht den sportlichen Vereinsstatuten entsprachen. „Weiße Wände verlocken beschmiert zu werden, doch schöne Graffitis werden respektiert“. So entwarf sie sechs Wandmotive, die die Begeisterung junger Menschen am Sport beinhalten und zugleich für Fairness und Teamgeist plädieren. Für Graffit-Kunst entschied sie sich, da dieser Stil Jugendlichen gefällt. Die begleitenden Botschaften sollten jedoch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommen, sondern auf subtile Weise gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und Ausgrenzung plädieren. „Das alles zeigt die Haltung, die auf dem Concordia-Fußballplatz herrscht“, sagt Helberger. Ihr Konzept umfasste auch begleitende Workshops vor, in denen der Graffitikünstler Jugendliche in die Welt des Sprayens einführte.
Fußballcoach Oliver Wetz, der wie seine Vereinskollegen seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Concordia tätig ist und aktuell die Kinder-Mannschaft trainiert, ist sichtlich von der Kunst begeistert. „Vor drei Jahren wurde uns die Idee vorgestellt“, erinnert er sich. Die Realisierung dauerte, denn zunächst musste die Finanzierung gesichert werden. Nachdem „Aktion Mensch“ und die Nassauische Sparkasse eine Unterstützung zusicherten, fiel der Startschuss im April 2021. Sechs Wochen lang verfolgte man bei der Concordia mit Spannung das Entstehen der bunten Wände, die von Woche zu Woche Gestalt annahmen. Auch in den Workshops bei Sebastian Stehr wurde diskutiert, skizziert und gesprayt.
Das Ergebnis überzeugt Vorstand Rudolf „Flocki“ Walther, der den Sportplatz zum ersten Mal 1972 betrat, damals als aktiver Spieler in der Abwehr. „Da haben wir Glück gehabt, dass wir in unserem Verein solch ideenreiche Fachleute wie Meike Helberger haben“, lobt er das Projekt. Sein Dank richtet sich darüber hinaus an all die engagierten Eltern und die Lehrer der gegenüberliegenden Viktor-Frankl-Schule, die Jugendliche sonderpädagogisch betreuen.
Mit den neuen Graffitiwänden ist nun ein bunter Augenschmaus mit bester Werbung für Teamgeist und Fairness entstanden. Dass die Entstehung in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen selbst erfolgte, ist ein weiterer Pluspunkt. All das soll im Sommer, wenn die sich die Corona-Vorschriften lockern, im Rahmen eines großen Festes gefeiert werden, informiert Jugendleiter Ulli Hartwig. Dann werden sich „Concorden“, Stadtteilbewohner und Schüler der Viktor-Frankl-Schule begegnen und gemeinsam feiern. Auch das ist ein Ergebnis der Kunstaktion mit Beispielcharakter.
Text und Foto von Edda Rössler, am 25. Mai 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse