Text und Fotos von Edda Rössler
am 8. Februar 2020 in der Frankfurter Neuen Presse veröffentlicht
Achtung, das „darktaxa-project“ ist mitten in der Stadt gelandet! Dabei handelt es sich in keinster Weise um einen Computervirus oder eine Geheimaktion im Darknet. „Darktaxa-Project“, so heißt eine dynamische Künstlergruppe, die sich mit den neuesten Entwicklungen der Fotografie auseinandersetzt und deren ästhetisches Potenzial zwischen analog und digital auslotet. Die Frankfurter Galeristen Daniel Schierke (39) und Ralf Seinecke (38) präsentieren hochaktuelle und durchaus unterschiedliche Positionen, die eines beweisen: Das künstlerische Spiel zwischen analog und digital ist fantasievoll, versprüht Lyrik und führt in ein Feld ungeahnter Poesie.
Nach Köln ist Frankfurt die zweite Anlaufstation der von dem Künstler und Gruppenmitglied Michael Reisch kuratierten Ausstellung. Schierke&Seinecke zeigen in der eigens für ihre Galerie konzipierten Ausstellung Werke von Banz&Bowinkel, Arno Beck, Raphael Brunk, Philipp Goldbach, Alex Grein, Beate Gütschow, Achim Mohné, Susan Morris, Johannes Post, Michael Reisch, Björn Siebert und David Young.
Vorbei ist die Zeit der Postkartenansichten
Eine haptische Impression Frankfurts präsentiert der Aachener Künstler Achim Mohné (55). Speziell für diese Ausstellung schuf er ein 3D-Google-Earth-Modell, das den Standort rund um die in der Niddastraße gelegene Galerie zeigt. Dem maßstabsgetreuen Modell liegt ein vom Künstler entwickeltes, analog-digitales Verfahren zugrunde. Er zeigt nicht die reale Situation, sondern greift direkt auf Screenshots der Google-Earth-App zu, die hunderte von Kamera-Drohnen mit virtuellen Kamera aufnahmen. Aus diesem Material fertigt er im Computer ein dreidimensionales Modell an, das im 3D-Verfahren ausgedruckt wird. Entstanden ist eine Fiktion, die der eigentlichen Architektursituation vor Ort verblüffend ähnelt. Interessant ist hier auch der humorvolle Verkaufspreis, den die Galeristen mit 3333 Euro ansetzen.
Schreiten wie im Rausch
Hinter den Spiegel gehen, in das Land der unbegrenzten Fantasie eindringen, das wollte schon der Surrealist Jean Cocteau. Für den Düsseldorfer Künstler Raphael Brunk (32), der jetzt wegen der inspirierenden „Vibes“ sein Atelier nach Frankfurt verlegt, ist das kein Problem. Der Schüler von Andreas Gursky bedient sich dabei der Welten der Computerspiele. Zusammen mit Programmieren hat er ein digitales Hacking-Tool entwickelt. Mithilfe dieses Tools kann er vorgegebene Kameraperspektiven verlassen, scheinbar mühelos durch Wände und Böden schreiten und die Rückseite der konstruierten Spiele-Architektur fotografieren.
Ein trickreiches Spiel zwischen Fiktion und Realität treibt der Kurator Michael Reisch (56). Zu sehen sind Prints, die eine gewisse Nähe zur Op-Art aufweisen. Die Arbeiten sind ohne Kamera entstanden und nur mit dem Computer kreiert. Die schwarz-weißen „Gebilde“ interpretiert der Betrachter als Linien, Schichtungen und Faltungen. Sie werden anschließend mithilfe von CAD-Programmen am Computer „nachempfunden“ und als scheinbar reale Objekte ausgedruckt. So entstehen Motive, die im Fotostudio fotografiert werden. Aus der digitalen Welt führt uns Reisch zurück in die gute, alte Welt des Analogen.
„Wir wollen der Frankfurter Kunstszene eine ungewöhnliche Ausstellung mit neuen künstlerischen Positionen bieten“, sagen Daniel Schierke und Ralf Seinecke. Dass sie damit ihr Publikum fordern, ist ihnen bewusst. Den Zugang in die schillernde Welt von darktaxa unterstützen Führungen und Künstlergespräche. Doch jedes der hier präsentierten Werke, an denen man sich kaum satt sehen kann, lohnt eine ausführliche Beschäftigung.
Weitere Informationen unter schierkeseinecke.com
(edr)