Der letzte Akt, bevor die Sanierung beginnt

Vom Porzellanbär zur Pop-up-Ausstellung: Fünf Künstler zeigen ihre Werke in der Stiftstraße 8 (Frankfurt)

Im ehemaligen „Bonwit & Bär-Haus“, in der Stiftstraße 8, bespielen kurz vor dessen Sanierung Werke der Künstler Rainer Raczinski, Chris Müller von Baczko, Gabriele von Lutzau, Julia Roppel und Felicitas von Lutzau die großzügige Fläche des entkernten Erdgeschosses. Das um 1903 erbaute Geschäftshaus, das aus historischen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz steht, war einstmals das Domizil der Firma Porzellanbär und gilt als wichtiges Zeugnis deutsch-jüdischer Unternehmensgeschichte in Frankfurt.

Ausstellung im Porzellanbär: Rainer Raczinski, Chris Müller von Baczko, Gabriele von Lutzau, Julia Roppel und Felicitas von Lutzau Foto: Edda Rössler
Ausstellung im Porzellanbär:
Rainer Raczinski, Chris Müller von Baczko, Gabriele von Lutzau, Julia Roppel und Felicitas von Lutzau
Foto: Edda Rössler

„Wir sind der letzte Akt vor den Baumaßnahmen“, informiert die Bildhauerin Gabriele von Lutzau mit einem Augenzwinkern. Der Hausherr Lucas Moser, Partner von CLL Immobilien, vertraute auf gute Zusammenarbeit und überließ ihr die Schlüssel für das Erdgeschoss. Da sie die Malerin Julia Roppel und den Fotografen Rainer Raczinki von gemeinsamen Ausstellungen kannte, war es klar, dass sie neben Künstlerinnentochter Felicitas und der langjährigen Freundin Chris mit an Bord sind. Gerade weil sie in unterschiedlichen Genres beheimatet seien, ergebe sich eine inspirierende Vielfalt, davon sind die Künstler überzeugt.

Für die Kölner Künstlerin Chris Müller von Baczko ist es die erste Show in Frankfurt. Sie widmet sich zumeist mit Mixed Media Werken auf Büttenpapier fließenden, abstrakten Formen. Sie überzeugt mit einer stimmigen Palette und einer dynamischen Pinselführung.

Die an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung ausgebildete Fotografin Felicitas von Lutzau präsentiert großformatige Fotografien aus drei verschiedenen Serien. Sie beschäftigt sich mit dem „Unheimlichen“, das in der Landschaft und im Alltag schlummert. Im Zyklus „Encounters“, in dem sie surreale, verwunschene Landschaften fotografierte, geht es ihr um die „Ambivalenz zwischen einer Landschaft und Angstgefühlen, die man hineinprojizieren kann“. In den Exponaten, darunter auch schottische Moorlandschaften, offenbart sich ihre ebenso behutsame wie aufmerksame Beobachtung von scheinbar Realem, bei dem schon das Unterbewusste anklopft.

Beseelt und zugleich schockierend zeigen sich die Bronzefiguren der Bildhauerin Gabriele von Lutzau. Ein ganzes Jahr lang habe sie die 77 „Seelenvögel“ geschaffen. Sie erinnert damit an den Massenmord auf der norwegischen Insel Utøya von 2011, als ein Rechtsextremist, dessen Name von Lutzau bewusst nicht nennt, Kinder und ihre Begleiter erschoss. In Gedanken an jeden einzelnen Ermordeten habe sie jeweils eine Bronzefigur geschaffen. Gerne würde sie das Ensemble komplett in Norwegen ausstellen. Bis dahin kann man eine kleine Auswahl der „Seelenvögel“ zusammen mit weiteren Werken wie einer „Krake“ oder einem „Coronadenkmal“ im Porzellanbär besichtigen.

Im Mittelpunkt des Oeuvres der in Frankfurt am Main lebenden und arbeitenden Künstlerin Julia Roppel steht die Landschaft, die sie mit Strahlkraft versieht. Sie grundiert mit Neonfarben. „Das ist spannend, weil das die Landschaft zusammenhält und das Licht später wieder zurückkehrt.“ Der Spannungspunkt zwischen Land und Wasser, Formen, die sich immer wieder ändern, das ist für sie reizvoll. Roppel arbeitet mit klassischen Materialen wie Öl auf Leinwand, mitunter dient zudem Holz als Bildträger. Ein Highlight ist das 2023 entstandene Gemälde „Fahrwasser“, ein lyrischer Farbreigen, der an Claude Debussys Komposition „La Mer“ erinnert.

Die männliche Künstlerposition wird durch den Fotografen Rainer Raczinski vertreten. Bei seinen Aufnahmen handelt es sich unisono um Unikate, denn sie entstehen mit der Polaroidkamera. Seit 2001 beschäftigt er sich mit diesem Medium, wobei zumeist Architekturaufnahmen im Vordergrund stehen. Im Porzellanbär präsentiert er eine exquisite Auswahl von Signets, die ihn zufällig auf Reisen „anlächelten“. Egal, ob das verrostete Werbeschildchen des „Wowburger“ in Dublin oder „Cigar Cave“ in San Diego bis hin zum krawalligen Autokennzeichen „GRRRIP“ aus Los Angeles, die jeweils mit einem Passepartout und im Rahmen präsentierten fotografischen Sidekicks bereiten Vergnügen.

Die Ausstellung ist jeweils Mittwoch und Donnerstag bis Anfang November von 15 – 19 Uhr geöffnet.

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 18. September in Frankfurter Neue Presse