„Am Anfang waren die Arbeiten anders, als er noch in Stockholm wohnte“, sagt Galerist Ernst Hübner über die aktuellen Werke des schwedischen Künstlers Patrick Nilsson (1966). „Da spielten sie hauptsächlich in der Stadt. Brutale Vorstadtszenen, in denen sich die Figuren halbtot schlugen.“ Die Sujets wandelten sich radikal, als Nilsson vor einigen Jahren mit seiner Frau auf das Land zog. „Dagegen ist Mecklenburg-Vorpommern dichtbesiedelt“, berichtet Hübner von der Einsiedelei, die der Künstler goutiert.
Jetzt bespielen an die 20 Gemälde, darunter einige großformatige, die Galeriewände. Alle kreisen um ein einziges Thema: um Landschaften im Winter, sei es um Bäume oder Dickichte oder schneebedeckte Wege. Dabei dominiert eine monochrome, schwarzweiße Palette, die Malmittel sind entweder Kohle auf Papier oder Ölfarbe auf Holzplatte.
Die Reduktion und Fokussierung auf Naturmomente, die schon einmal Geäst im Close-Up zeigen, Wege mit einem Hauch von Gestrüpp und schlichte Bäume im Schnee, münden jedoch keineswegs in einer melancholischen Haltung. Selten sah man Kargheit so einladend und vertraut. Diese Winterbilder, die nahezu zärtlich und verlockend wirken, spielen mit dem unbekannten Dritten, dem unsichtbaren Betrachter, der auf das Bild schaut. Es scheint, als ob wir in einem mollig warmen Zimmer mit knisterndem Kaminfeuer und einem Glas Whiskey in der Hand durch ein Fenster blicken, wobei der Reiz der reduzierten Landschaft noch gesteigert wird. Alles verströmt die Anmutung von „Hygge“, ein Begriff aus dem Skandinavischen, der für Wohlempfinden steht. Da passen auch die mitunter dekorativ ins Bild gesetzten „Flecken“, die an Regentropfen erinnern und sanft von außen an das Fensterglas perlen.
Dennoch legt Nilsson durchaus Wert auf klare Linien, selbst im wuchernden Gestrüpp kann man jeden einzelnen Ast genau verfolgen. „Er bereitet erstmal auf seinem Blatt ein großes Chaos und dann fängt er an, die einzelnen Konturen herauszuarbeiten“, informiert Galerist Hübner über die Arbeitsweise. Patrick Nilsson liebt das Systematische und keineswegs ungestümes Durcheinander.
Auch aufgrund seiner sorgfältigen Arrangements gelingt es dem Künstler, einen nahezu fotografisch realistischen Eindruck einer gezähmten Natur zu vermitteln. Wir sind sicher, dass den dargestellten Winterimpressionen ein wärmender Frühling folgen wird.
In dem Oeuvre von Patrick Nilsson erleben wir Natur nicht bedroht und nicht als Bedrohung. Selbst das finstere Geäst verwandelt sich nicht einen Malstrom, der uns in die Tiefe zieht. Boten die Maler der Romantik Naturmomente, die sich zur empfindsamen Andacht empfahlen, präsentiert Patrick Nilsson Natur, die man auch mal mit Smalltalk genießen darf. Eine Plauderei allerdings auf höchstem Niveau und mit einer Szenerie, die sich ins Gedächtnis einbrennt.
Die Ausstellung „Views and blocked views“ mit Werken von Patrick Nilsson ist noch bis zum 5. März geöffnet.
Weitere Informationen unter galerie-huebner.de
Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 25. Februar 2023