Text und Fotos von Edda Rössler
veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse am 9. September 2019
43 Galerien und 15 weitere Kunstorte öffneten am Wochenende zum 25-jährigen Jubiläum ihre Pforten – Reges Interesse und großer Andrang in Frankfurts Galeriemeile
Das 25-jährige Jubiläum sollte dieses Jahr besonders gewürdigt werden. Bereits im Vorfeld des traditionell Anfang September stattfindenden Galerienstartes wurde der Fokus auf die Kunstszene Frankfurt gerichtet. Das neue Kunstformat, „The Frankfurt Art Experience“, das mit einem starken Social Media Auftritt, den Kunst „Walks‘“ und „Talks“ sowie der Messe „Paper Positions“ im ehemaligen Rundschauhaus Flare sorgten für Aufmerksamkeit.
Um Punkt 18 am Freitagabend fiel der Startschuss zum Kunstmarathon. Auftakt unserer kleinen Kunsttour ist die in der Braubachstraße gelegene L.A. Galerie. Wir kraxeln in den zweiten Stock und Galerist Lothar Albrecht, ein Urgestein der Frankfurter Kunstszene, sagt Hallo. Er präsentiert 21 Fotos des Künstlers Oliver Bloberg, den er bereits seit 21 Jahren vertritt. Auf den ersten Blick entpuppt sich die Szenerie der Werke banal. Doch dann erfahren wir, dass der Künstler nicht die Wirklichkeit abbildet, sondern Modelle konstruierte, die er verblüffend „realistisch“ inszenierte. Das geschickte Spiel Blobergs mit Wahrnehmung und Täuschung bringt er in einem Werk auf den Punkt. Da nämlich lesen wir nur das Wort „Altstadtgasse“ und wir werden eingeladen, unser Bild und unser Modell einer Situation zu bauen.
Die Sinne sind geschärft und gleich geht es weiter zur Galeristin Heike Strelow in die Lange Straße. „Painting after Painting II“ präsentiert zeitgenössische Maler wie Claudia Barthol, Felix Becker und den 2002 aus der Ukraine eingewanderten Artjom Chepovetskiy. Wir stoßen mit dem strahlenden, jungen Künstler Artjom an, schließlich feiert er an diesem Tag 35. Geburtstag. In seinen farbintensiven Werke dominiert die Farbe Gelb. „Wegen der Tiefenwirkung male ich nicht auf Leinwand, sondern auf Chiffon“, sagt er. Das kommt bei den Vernissagen-Gästen gut an. Bereits zu dem frühen Zeitpunkt entdecken wir rote Punkte.
Gleich um die Ecke machen wir in Kurt-Schumacher-Straße Station bei Jacky Strenz. Im intensiven Gespräch diskutiert sie mit einem Kunstfreund das Ausstellungskonzept. Bei ihr bespielen Fotografien von Markus Ebner die Räume. Dabei handelt es sich immer nur um ein Motiv, aufgenommen in unterschiedlichen Kameraeinstellungen. Man erkennt eine efeuumrankte Grabplatte aus Blei. Sie schmückt das Grab des 2013 verstorbenen Künstlers Günther Förg, der die Plattenskizze selbst entwarf. Diese Ausstellung ist sozusagen eine letzte Verneigung vor Günther Förg.
Da kommt die kleine Aufmunterung gelegen, die die rhythmisch fröhlichen Klänge der afrikanischen Band „Okiki Juju“ am gegenübergelegenen Fischerplätzchen bieten. In der geografischen Mitte der Kunstszene, in der Fahrgasse wimmelt es nur so von Besuchern, Ehepaaren, Singles, Jungen und Alten, mit und ohne Kinderwägen. Sie alle schieben sich geduldig durch das Gewühle oder machen an kleinen Weinständen Halt.
In der Galerie Maurer treffen wir den Künstler Tilmann Zahn, dem man seine 53 Jahre nicht ansieht. Er lädt zur Betrachtung seines Werkes mit dem klangschönen Titel „Sandunga“ ein. Der Schweizer Papierkünstler lässt sich von alten Industriebrachen inspirieren. Zeichnet sie auf Papier, versieht das alles mit Texten, reißt dann Papierschnipsel heraus und tunkt sie in Ölfarbe. Die anschließend zusammengesetzten Welten erstaunen: Sie wirken stabil und zugleich fragil.
Wir werfen einen kurzen Blick ins benachbarte 1822 Forum und werden gleich mit einer Präsentation des Ausstellungsmachers Max Pauer belohnt. Er bewegt ein iPad auf ein am Schaufenster angebrachtes Kreuz und plötzlich entsteht auf dem Monitor eine Skulptur. „Line and Surface“, so hat der ehemalige Städelschüler Florian Adolph die Ausstellung genannt, in der er mit Augmented Reality spielt.
Die Galeristin Kirsten Leuenroth präsentiert mit Werken von Isabelle Dutoit ein besonderes Highlight. Die ehemalige Meisterschülerin von Arno Rink zaubert in nahezu altmeisterlicher Manier Tiger, Wölfe und Vögel auf die Leinwand. Mit starken, abstrakten Farbflächen löst sie die äußerst realistische Darstellung geschickt auf. Wir erleben ein Feuerwerk an Dynamik, Rhythmus und Eleganz.
Bei Mühlfeld und Stöhrer begegnen wir dem fränkischen Holzbildhauer Thomas Hildenbrand. Der in Oberammergau ausgebildete Künstler, der eine Vorliebe für Lindenholz besitzt, dekoriert seine ansehnlichen, barocken Skulpturen gerne auch mal mit Blattgold.
Schon bricht die Dunkelheit herein und wir wechseln auf die andere Straßenseite. „Jeder kommt mal dran“, lautet das Ausstellungsmotto bei Andreas Greulich. Er präsentiert großformatige Gemälde des virtuosen Frankfurter Künstler Thomas Erdelmeier. Gerne taucht man in die ebenso verstörenden wie faszinierenden Bildwelten ein. Natürlich begleiten wir Andreas Greulich auch auf einen Sprung in die vor der Galerie aufgebaute „mobile Kunsthalle“. Zusammen mit Jeremy Gaines stellt er hier afrikanische Gegenwartskunst aus Lagos aus.
Alla-Prima-Malerei vom Feinsten zeigt Anita Bekkers mit den monochromen Werken der israelischen Künstlerin Liat Yossifor. Ihr Gegenpart, die Schweizer Künstlerin Pia Fries, löst in einer facettenreichen Palette abstrakte Kompositionen collagenhaft auf. Die Leinwände der beiden Künstlerinnen werden zu Schauplätzen malerischer Positionen, die auch humorvoll daherkommen.
Zugegeben, auf die Betrachtung der berüchtigten gereckten Fäuste von Hans Ticha in der Galerie Hanna Bekker vom Rath wollen wir nicht verzichten. Dort zieht die Geschäftsführerin Anja Döbritz eine kurze Zwischenbilanz: „Wir erleben einen enormen Zuspruch, gute Verkäufe und ein fachkundiges Publikum.“ Das erfreut die Organisatoren Tristan Lorenz (Sprecher der Galerien) und Tyrown Vincent (Macher des Frankfurt Art Experience), die sich das Ende des „Dornröschen-Schlafes“ auf die Fahne geschrieben haben. „Die Kunst und die Frankfurter Galerien gehören ins zentrale Bewusstsein Frankfurts“, sind sie sich einig. Das zart behütete Dornröschen ist wach geküsst und darf nunmehr jederzeit zu den bekannten Öffnungszeiten der Galerien besichtigt werden.