Kunstvolle Unschärfe – Farbfotografien von Wolfram Ziltz im Transit Art Space

Wolfram Ziltz und sein Farbfoto „Reflex“ Diese Lichtspiegelung eines Frankfurter „Wasserhäuschen“ hat Wolfram Ziltz auf der Windschutzscheibe eines Wagens beobachtet. Ob es sich dabei um den Yok Yok City-Kiosk handelt? Foto: Edda Rössler
Wolfram Ziltz und sein Farbfoto „Reflex“
Diese Lichtspiegelung eines Frankfurter „Wasserhäuschen“ hat Wolfram Ziltz auf der Windschutzscheibe eines Wagens beobachtet. Ob es sich dabei um den Yok Yok City-Kiosk handelt?
Foto: Edda Rössler

„There is more to the picture than meets the eye“, lautet eine bekannte Songzeile von Neil Young. Genau daran fühlt man sich erinnert, wenn der Frankfurter Fotograf Wolfram Ziltz (1961) sagt, in seinen Fotos stecke mehr, als das, was man auf den ersten Blick sieht. Dabei macht er es dem Betrachter zunächst leicht. Mühelos erkennt man, dass es sich bei den zwölf, zumeist großformatige Farbfotos um Frankfurter Landmark-Architekturen handelt, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. „Man soll auch als Nicht-Frankfurter das Motiv erkennen“, das ist ihm wichtig.
Doch allein mit dem bloßen Abbilden und der Wiedererkennung ist es in seiner Kunst nicht getan. Das liegt zum einen an der Auswahl der Motive. Sie handeln von Gebäuden, deren Nutzung sich im Übergang befindet. Noch erleben wir das alte Polizeipräsidium, das Kaufhaus Karstadt auf der Zeil oder das Schauspiel und die Oper in der uns bekannten Form. Doch sicher ist, sie alle werden in absehbarer Zeit einem Wandel und einer neuen Konnotation unterzogen. Ziltz beklagt die Transformation nicht, aber indem er die Gebäude auf ein Podest rückt, setzt er Debatten und Reflexion frei. Gehören etwa die großen Kaufhäuser einer vergangenen Ära an und entsprechen nicht mehr dem aktuellen, urbanen Einkaufsverhalten? Wann endlich bekommt Frankfurt eine überzeugende Lösung für die dringliche Neugestaltung des Schauspiels? Das alles sind Fragen, die er ohne erhobenen Zeigefinger, aber beharrlich in die Diskussion rückt.
Neben der Motivsuche sticht sein unverkennbarer Stil hervor. Fotos, die sich an der Grenze zur Abstraktion bewegen, scheinbar verwischte Farbflächen, die einen poetischen Ausflug ins Malerische erlauben, werden von klaren Linien und der Geometrie der Gebäude gehalten.
Der Betrachter fühlt sich bei seinen Werken an Gemälde William Turners erinnert, aber auch an Fotografien von Andreas Gursky. Wie Ziltz zu diesen Ergebnissen gelangt, die sich zwischen Malerei und Fotografie bewegen, verrät er nicht. Dennoch, anhand seiner Interpretation des EZB-Gebäudes, erlaubt er einen kurzen Einblick. „Ich muss irgendwo eine Zentralperspektive finden.“ Nur so kann es gelingen, dass Linien nicht auseinanderfallen und dass man trotz Abstraktion auch das Gebäude erkennt.
Für die optimale Aufnahme legt er sich schon einmal Wochen auf die Lauer. Bei seiner Aufnahme der Binding-Brauerei benötigte er viel Geduld, bis er die perfekte Minute in der „blauen Stunde“ einfangen konnte. „Eine solche Lichtstimmung muss man abpassen. Da ist viel Arbeit vor der Arbeit“, so Ziltz. Hat er den für sich idealen Moment erwischt, wird genau diese einzigartige Lichtsituation später wieder trotz der digitalen Bearbeitung heraufbeschworen.
Seine künstlerische Dokumentation des Wandels in unserer Stadt, die er auch mithilfe von Unschärfe darstellt, vereint beides: Ein letzter Abschied und die Hoffnung, dass es vorangehen möge.

Die Ausstellung „DIS/appear“ – Fotografien von Wolfram Ziltz ist im Transit Art Space (Skyline Plaza) noch bis Ende August zu sehen.

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 24. Juli 2023 in Frankfurter Neue Presse