Die Schweizer Galeristin Claudia Giani-Leber hat sich seit vielen Jahren mit Haut und Haaren der Präsentation von Kunst verschrieben und bevorzugt KünstlerInnen, denen die Verbindung von Figuration und Abstraktion gelingt. In der aktuellen Ausstellung „Ladyland“ präsentiert sie exquisite Frauenbilder von Ulla Hahn. Und nein, diese Ulla Hahn ist nicht mit der Lyrikerin gleichen Namens verwandt oder verschwägert. „Obwohl die Poetin Ulla Hahn weiß, dass es auch die Malerin Ulla Hahn gibt“, sagt die Malerin.
Unzählige Plattencover und Titelseiten großer Magazine schmücken Porträtaufnahmen schöner Frauen. Die aus dem Rheinland stammende Ulla Hahn (62) sammelt wie eine Besessene zumeist Coveraufnahmen von Sängerinnen aus den 60er und 70er Jahre, erforscht ihre Ausstrahlung, um sie dann in einem großen Mosaik zusammenzustellen. „Succés“, so der Titel des 300 Cover umfassenden Bildmaterials, zeigt nachdenkliche, widerspenstige, romantische und auch kratzbürstige Ladies. Einige rauchen und bauen den Zigarettenqualm als freche Attitude mit ins Foto ein. Für Hahn spiegelt sich in den Aufnahmen ein neues Rollenverständnis, das junge Frauen in den 70er entwickelten. All die schönen, teilweise auch schlampigen Frauen waren selbstbewusst, sexy und auf der Suche nach einer neuen Identität. Wohin die Reise gehen sollte, war noch ungewiss. Doch eines stand fest: Der konservative Gleichklang von „Kinder, Küche und Kirche“ war Vergangenheit, Underground und Rock‚n‘Roll ersetzten das Heimchen am Herd. Gerade die 70er Jahre sind für die Künstlerin eine spannende Aufbruchsphase, die sie selbst prägte. „Ich arbeitete damals in einem Wuppertaler Frauenzentrum, zusammen mit der Mutter von Alice Schwarzer.“ Beim Arrangement der Schönen erinnert sie sich an diese kreative und trotzige Zeit, die späteren Frauengenerationen einen freieren Weg ebnete. Hahn fasziniert die geheimnisvolle Aura, die von diesen Frauen ausgeht. „Es hat mir einen unheimlichen Spaß gemacht, sie zu positionieren“, schwärmt sie. Die Succés-Ladies sollen auch miteinander korrespondieren und so wirkt die Installation wie eine große Bühne, auf der sich viele Dialoge abspielen. Auf den Streit folgt die Versöhnung. Hahn betont, dass für sie ausschließlich Bildmaterial aus dem vergangenen Jahrhundert geeignet ist. Cover von Künstlerinnen ab dem Jahr 2000 möchte sie nicht verwenden. „Da wird es schwierig, ich kann damit nichts mehr anfangen.“ Doch der Betrachter muss sich keine Sorgen machen, dass ihr der Stoff ausgeht. Im Fundus der Künstlerin warten noch unzählige Beautys auf Entdeckung und Erforschung.
In einem weiteren Teil der Ausstellung zeigt Hahn stark vergrößerte Fotografien. Auch diese hat sie den Covern entnommen und digital bearbeitet. Doch je größer und näher der Ausschnitt an das Gesicht rückt, desto weiter entziehen sich diese Frauen dem Voyeur haften Blick des Betrachters.
Aller guten Dinge sind Drei, sagt die Künstlerin, und bespielt in einem Galerieteil die Wände mit neun Acrylgemälden, die meisten davon im Format 50 x 40 cm. Auch hier stehen ein geheimnisvoller Nimbus und Rätselhaftigkeit im Vordergrund. Die Frauenporträts sind von einer starken körperlichen Präsenz geprägt, das Gesicht fehlt oft und dennoch atmen wir ihre Nähe. Ganz wundervoll gelingt Hahn die Verbindung von Figur mit dem ornamentalen Hintergrund, ihren „geschwirbelten“ Knoten. „Sie sind eine Referenz an meinen verstorbenen Mann Patrice Verhofstadt“, sagt sie. Auch er war Künstler und zusammen schufen sie Knotengebilde.
Es macht Spaß, der Künstlerin und ihren Geschichten zuzuhören und genau solchen Spaß bereitet der Besuch von „Ladyland“ bei Arte Giani.
Die Ausstellung ist zu den üblichen Galeriezeiten bis zum 20. August 2021 geöffnet
Weitere Informationen unter www.artegiani.de
Text und Foto von Edda Rössler
Am 8. Juli 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse