Laura J. Padgett – Die Gebäudeflüsterin

Fotoausstellung „Strata“ in der Galerie Peter Sillem

Laura J. Padgett ist eine vielseitige Künstlerin, die sich mit Orten, Gebäuden und ihrer Geschichte fotografisch auseinandersetzt. Foto: Edda Rössler
Laura J. Padgett ist eine vielseitige Künstlerin, die sich mit Orten, Gebäuden und ihrer Geschichte fotografisch auseinandersetzt.
Foto: Edda Rössler

Eine kleine, konzentrierte Fotoausstellung neuerer Arbeiten der deutsch-amerikanischen Künstlerin Laura J. Padgett (1958) bespielen die Wände der Galerie Peter Sillem. Die jeweils als Paar zusammenhängenden, rund 18 großformartigen Farbaufnahmen umkreisen den für Frankfurt symbolträchtigen „Poelzigbau“, einstmals Firmensitz der IG Farben und heutiges Universitätsgebäude. Zwei Jahre ging sie vor Ort auf Spurensuche, um den Geist der wechselvollen Historie aufzuspüren. Entstanden sind Aufnahmen, die nicht mehr das Abbilden erster Eindrücke, sondern Ornamenten gleichen. Zwar sind Architektur und das Charakteristische des Baus durchaus erkennbar, aber Padgetts Fotografien gleichen Stolpersteinen, die zum Innehalten und zur Reflektion auffordern.
Wie funktioniert das eigentlich, wenn ein ehemaliger Nazibau nach Kriegsende von der USA Armee jahrzehntelang als Headquarter genutzt wird und mittlerweile als Campus Westend für Studierende bestimmt ist? Spüren wir noch den Hauch der Geschichte und wenn, welcher Ära? Die Fragestellung klingt auf den ersten Blick wie eine Herausforderung und Padgetts Antworten beinhalten eine gewisse Portion „amerikanischen“ Pragmatismus. Mag sein, dass deutsche Fotografen mit der Spurensuche schwermütiger umgegangen wären.
Die Arbeiten, ihr ästhetischer Umgang mit dem Gebäude, liefern keine Antworten, wohl aber Denkpfade. Die „Reflektionsappelle“ kommen bei Padgett zart daher, mit Freude am Spiel des Lichts und der Farbnuancen. Ganz wunderbar etwa die Arbeit „Blueprint“, in der Linien und Umrandungen an ein verschlungenes Labyrinth erinnern. Dennoch lastet, was durch die Wahl der Ausschnitte unterstützt wird, Bedrohung und Unheil auf den Werken. Nichts ist so wie es wirkt, eine Fassade oder ein Treppenaufgang ist viel mehr als seine Funktion.
Da kommt der klug gewählte Ausstellungstitel, „Strata“ ins Spiel. Mehrere Interpretationen sind auch hier möglich. Entnommen ist er vielleicht der amerikanischen Küche und verweist auf ein Gericht, das aus vielen Schichten bereitet wird. So wird aus Schicht Geschichte. Wie ein Archäologe trägt sie allerdings keine Schichten zusammen, sondern entkernt sie, um uns einen einzigartigen Ausdruck zu servieren, der sowohl auf Hintergründe verweist und über das rein Momenthafte hinausgeht. Diese Neu-Interpretation, Padgetts Fotopaare, gleichen zwei Seiten einer Medaille und laden mit phantasievollen Titeln wie Kapitel zu Shortstories in die Bildwelten ein. „Not yet“, „Burnt Earth“ oder „Melancholy“, gerne taucht man in nahezu filmisch präsentierten Fotowelten Padgetts ein und möchte mehr über die spezifischen Loci erfahren. Nichts ist für immer, nichts scheint so, wie es auf den ersten Blick aussieht, auch das sagt sie.
Die Künstlerin Padgett lupft den Vorhang und lädt zum geschichtsträchtigen Spaziergang ein zu Orten und Plätzen, die sich nicht mehr exakt geografisch und zeitlich verankern lasen. Dennoch, das ist gewiss, bei all dem ästhetischen Vergnügen: Das Böse und Hinterhältige lauert überall.
Die Ausstellung „Strata“ mit Fotografien von Laura J. Padgett ist noch bis zum 16, März 2024 geöffnet.
Weitere Informationen unter galerie-peter-sillem.com

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 22. Januar 2024 in Frankfurter Neue Presse