So high, so nah am Abgrund! – Künstlerin Lena Schramm geht Partydrogen humorvoll an den Kragen

Gibt es das überhaupt, eine „nüchterne Hochstimmung“? Der Begriff „High Sobriety“, so der Ausstellungstitel der Solo-Show von Lena Schramm in der Galerie Hanna Bekker vom Rath, verweist schon auf die zwei Seiten einer Medaille.

Galeristin Christina Veit neben „Delirolyt“ von Lena Schramm Fotografin: Edda Rössler
Galeristin Christina Veit neben „Delirolyt“ von Lena Schramm
Fotografin: Edda Rössler

Im nüchternen Zustand sehnen wir uns nach Euphorie, wie sie sich nach dem Genuss von Alkohol oder von Partydrogen einstellen kann. Doch allzu oft, davon ist die Hamburger Künstlerin Lena Schramm (1979) überzeugt, endet das „Highsein“ im Abgrund. Jeder, der jetzt erwartet, dass es bei Schramms Ausstellung mit dem erhobenen Zeigefinger und „bierernsten“ Warnungen zugeht, wird verblüfft.

Stattdessen zeigt Schramm in der klugen, konzeptuell starken Schau spielerisch-fantasievollen Gemälde und Objekte, die zu ästhetischem Genuss und zum Nachdenken anregen. Partydrogen, zu denen sowohl Psychopharmaka wie Ecstasy-Tabletten als auch Alkohol und Champagner zählen, offenbaren ihre verführerische Attitüde. Doch kaum haben sie uns in ihren Bann gezogen, enden sie in einem fatalen Malstrom. Allein wer das nötige Kleingeld parat hat, kann den Entzug in einer teuren Klinik einleiten. „Der Begriff „High Sobriety“, erläutert Galeristin Christina Veit, falle in den USA immer wieder im Zusammenhang mit hochbezahlten Entzugskliniken. Da schaltet sich unser Kopfkino ein und wir denken an Robbie Williams, Liza Minelli und viele andere VIPs.
Grübeln stellt sich auch beim weiteren Gang durch die Ausstellung ein, in der großformatige Ölgemälde die Blicke auf sich ziehen. Ein pastellzarter Hintergrund bringt pastos, mit prallster Farbe dargestellte Logos beliebter Schnäpse, aber auch von Alka Selzer zum Leuchten. Selten sieht man Markenzeichen so sinnlich dargestellt. Hier wird hohem Niveau künstlerisch addiert, und die Quintessenz des Erlebten bleibt dem Betrachter überlassen.
Eine Klasse für sich machen auch die präsentierten Objekte aus. „Freier Fall“ lautet der Titel eines auf den ersten Blick harmlos wirkenden Teewagens, auf dem Schramm einen Spiegel und Likörgläser platziert. Doch sobald man in die Tischplatte hineinblickt, schwindelt man, denn es offenbart sich ein Abgrund aus unzähligen Spiralen.
Mitten im Galerieraum prangt darüber hinaus das Objekt „Delirolyt“, das ein an einem Infusionsständer befestigtes Katzenfell zeigt. Doch an der Stelle, an der sich die Katzenkrallen befinden, entdecken wir lediglich Franzen. Authentisch sollte die Installation sein und in der Tat handelt es um ein echtes Katzenfell, das die Künstlerin in einem französischen Antiquitätenladen entdeckte. Gekonnt und frech spielt sie mit der Begrifflichkeit „Kater“. Bei den Nachwirkungen eines Rausches kann sich die Psyche schon mal „verfranzen“.
Unsere Nachfrage, ob sich bei dieser Thematik der Alkoholkonsum anlässlich der Vernissage reduziert habe, verneint die Galeristin. Typisch Lena Schramm: Sie sammelte die leeren Weinflaschen und arrangierte sie kunstvoll hinter einem kleinen Fenstergitter in der Galerie.
Da kann man jetzt schon sagen, bei unserem nächsten Rausch denken wir an Lena Schramm und ihre Kunst. Allein das ist schon einen Besuch der Ausstellung wert.
Am Samstag, den 10. Juni wird die Künstlerin zur Midissage in der Galerie Hanna Bekker vom Rath in der Zeit von 18 – 21 Uhr anwesend sein.
Weitere Informationen unter galeriehannabekkervomrath.de

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 9. Juni 2023 in Frankfurter Neue Presse