Mit federnden Schritten und einem strahlenden Lächeln erscheint die Choreographin und Dramaturgin Célestine Hennermann (48) zum Interview. Wir haben uns im Eschersheimer Sinai-Park verabredet, setzen uns auf eine sonnenbeschienene Parkbank und zu meinem Erstaunen packt Hennermann zwei Becher mit frisch zubereiteten Espresso aus ihrer Umhängetasche. Sogar Milch und Zucker hat sie dabei. Diese Dame denkt voraus, inszeniert Momente und verbreitet Lebensfreude.
Gerade erntet ihre Company „Hennermanns Horde“ viel Anerkennung mit originellen Tanz-Videos für Kinder. Dass sie sich die freie Dramaturgin mit dem Faible für urbanen Tanz einmal beruflich vor allem mit der jungen Zielgruppe beschäftigen würde, das hätte sie sich während ihrer Ausbildung nicht vorstellen können, sagt sie und lacht. Die gebürtige Frankfurterin, die an der Goethe-Universität Amerikanistik sowie Theater- und Wissenschaft studierte, wollte ursprünglich Theater-Dramaturgin werden. Doch schon rasch lockte die Welt des Balletts und des Tanzes. Im damaligen TAT (Theater am Turm) begeisterten sie Tanz-Performances. „Da habe ich mich wohlgefühlt und bin von dem Gedanken, an einem Stadttheater zu arbeiten, abgerückt.“
Schnell kam der Kontakt zu dem damaligen Ballettdirektor William Forsythe zustande und sie arbeitete bis zur Auflösung des Balletts als seine Assistentin. Die Zusammenarbeit mit dem New Yorker, der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Choreographen zählt, stärkte die Liebe zum Tanz und schließlich zur Selbstständigkeit. „Er hat immer gesagt, Du gehörst in die freie Szene.“ Selbst wenn der Beginn schwierig war, realisierte sie rasch eigene Produktionen, darunter für das „Tanzhaus nrw Düsseldorf“, einem internationalen Zentrum für zeitgenössischen Tanz. Mit der Geburt des Sohnes 2008, ein Jahr später kam die Tochter zur Welt, erlebte sie eine berufliche Zäsur. „Man denkt ja, wenn man Mutter wird, dann ist es mit der Kunst vorbei!“ Als ihr der damalige Direktor Bertram Müller des Düsseldorfer Tanzhauses vorschlug, ein Stück für die Allerkleinsten auf die Beine zu stellen, war sie „erstmal sehr beleidigt“. Doch ein Honorar winkte und sie schuf ein Stück für die Allerkleinsten. Dabei handelte es sich um eine Installation mit Licht und Schatten, Objekte hingen an der Wand und die Tänzer traten zwischen den Objekten auf. „Mir geht es darum, dass die Kinder etwas Ästhetisches erleben“, betont sie. Sobald die Pandemie überwunden ist, darf sich das Frankfurter Publikum auf ihre Stücke wieder „live“ wie etwa in der ehemaligen Volksbühne bei Michael Quast freuen.
Die Dramaturgin Célestine Hennermann mit Gespür für junge Leute hatte eine zündende Idee: Sie lädt Jugendliche zum Tanzen ein und setzt deren Auftritte kreativ mit Profi-Tänzern und Musikern in Tanzvideos um. Da wir uns inmitten einer Pandemie befinden, natürlich kontaktarm per Video. Bewegung, urbaner Tanz wie Break Dance und Hiphop, die witzigen Tänze aus Computerspielen oder bei TikTok, all das macht jungen Leuten Laune auf originelle „Moves“ und mindert den „Lockdown-Blues“.
Wie populär die Tänze aus dem Onlinegame Fortnite sind, bewies vor kurzem der französische Fußball-Star Antoine Griezmann. Er forderte bei einem Länderspiel die gegnerische Mannschaft mit einem spontanen Tänzchen auf, die Niederlage zu akzeptieren. Dabei performte er die Figur „Take the loss“, akzeptiere die Niederlage! Griezmann sprang wie ein Hampelmann von einem Bein auf das andere, hielt sich eine Hand an den Kopf, die zu einem “L” geformt war und jeder verstand, das ist die Geste für “Loser”.
Doch bei „Hennermanns Horde“, so der Name ihrer Company, gibt es nur Gewinner. Mithilfe von Klassenlehrern wurden Schüler zum Mitmachen eingeladen, darunter die Ebelfeld-Schule in Frankfurt am Main und die Hochheimer Heinrich-von-Brentano-Schule. Die Schüler zeigten, unterstützt von einer Video-Anleitung der Tänzerin Katharina Wiedenhofer, ihre Lieblings-Moves und wurden dabei gefilmt. Aus dem eingereichten Video-Material entwickelten Hennermann und ihr Team dann eine zusammenhängende Choreografie vor originellen Kulissen. Frisch und spielerisch nimmt die Tänzerin Katharina Wiedenhofer die Angebote auf, der Kontrabassist Gregor Praml komponierte die Musik und Daniel Blattmann war für Schnitt und Kamera verantwortlich. Jede Schule durfte sich dann über ein eigenes Tanzvideo freuen. Der Clou war zudem, dass bei jedem Tanz auch der jeweilige Schüler mit seinen Bewegungen zu sehen ist.
Das Hessische Kultusministerium hat die Entwicklung dieses Projekts ermöglicht. Durch die Tanzpakt Reconnect Förderung des Bundes kann das Projekt weiterhin Schulen (Grundschule und Mittelstufe) und Kindergärten angeboten werden.
Weitere Informationen unter hennermannshorde.de/tanz-mit-2
Text und Bild von Edda Rössler, Text am 26.4.2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse