Verwandlungskunst – Verblüffende Objektwelten von Winter/ Hoerbelt bei Heike Strelow

„Winter/Hoerbelt“, was so sachlich daherkommt, hat es faustdick hinter den Ohren. Davon kann sich der Besucher noch bis zum 23. Oktober in der Frankfurter Galerie Heike Strelow überzeugen.

Betritt man die in der Lange Straße 31 gelegene, in sachlichem Weiß gehaltene Galerie, fällt der Blick über kärglich bespielte Wände auf raumgreifende Skulpturen. Sie präsentieren sich allerdings nicht bierernst, sondern humorvoll und höchst formvollendet.

Schon im Eingangsbereich entdeckt man einen in Bronze gehaltenen Stiefel, der den Fußspann mit einer Schraube in den Boden verankert. „Kontrapost(2)“, so der Titel des Objektes, ist eine Anspielung auf das klassische Standbein in der traditionellen Bildhauerei und wird ganz im Stil der beiden Künstler Wolfgang Winter (1960) und Berthold Hoerbelt (1958) mit einem Augenzwinkern serviert. Wie kann ich Alltagsgegenstände so transformieren, dass sie plötzlich aus ihrer reinen Funktionalität befreit, zu einem ästhetisch spielerischen Dialog einladen, lautet ihr Ansatz und die Lösungen verblüffen.

Air von Winter/ Hoerbelt - mit Galeristin Heike Strelow (Foto: Edda Rössler)
Air von Winter/ Hoerbelt – mit Galeristin Heike Strelow (Foto: Edda Rössler)

Ein anschauliches Beispiel dafür ist eine in der Galerie platzierte Schaukel. Spontan setzt sich Galeristin Strelow auf das Objekt „Air“ und pendelt über ihre Ausstellung. Das schnörkellose Objekt, das aus einem kunstvollem Edelstahlgitter mit Leuchtmitteln besteht, setzt mit der raumgreifenden Pendelbewegung ein würdevolles Ausrufezeichen in den kleinen Kunsttempel. Schaut mich an, ihr kennt mich und dennoch bin ich ein neues Wesen, das rufen uns die Objekte entgegen. In dem Moment, in dem ich mich auf die Skulpturen einlasse, verändert sich Raumerfahrung. Spätestens jetzt wird klar, hier werden nicht allein die Grenzen des Alltags ausgehobelt, die gebotene Transformation öffnet den Blick aus der Schubladekiste.

Basket von Winter/ Hoerbelt - mit Galeristin Heike Strelow (Foto: Edda Rössler)
Basket von Winter/ Hoerbelt – mit Galeristin Heike Strelow (Foto: Edda Rössler)

Gegenüber der Schaukel prangt dominant die an eine Designer-Dusche erinnernde, meterhohe Edelstahl-Installation „Basket“. Man kann sie betreten und in dem Moment der Interaktion leuchten dem Betrachter kleine Sternchen, Farbakzente der Figur im Inneren, entgegen. Doch auch der Aufenthalt im Inneren ist ein höchst ästhetisches Erlebnis, denn selbst die Welt draußen verwandelt sich in viele kleine Puzzleteilchen.

Bei so viel Metamorphosen verwundert es nicht, dass Winter/Hoerbelt selbst aus der Form des herkömmlichen Wasserkastens einen kleinen, halbrunden Palast aus Aluminiumguss zaubern. Die „Ode an die Kiste“, so der treffend gewählte Objekttitel, beweist, wie facettenreich und kunstvoll alltägliche Gegenstände sein können, wenn sie von Kunst beseelt werden.

Ode an die Kiste von Winter/ Hoerbelt - mit Galeristin Heike Strelow (Foto: Edda Rössler)
Ode an die Kiste von Winter/ Hoerbelt – mit Galeristin Heike Strelow (Foto: Edda Rössler)

Weitere Objekte des seit über 30 Jahren tätigen Künstlerduos, deren Objekte zudem in Kunstvereinen und im öffentlichen Raum zu sehen sind, warten darauf, in der Galerie Heike Strelow entdeckt zu werden.

Auch wenn die Ausstellung den Titel „Harter Durchlass“ trägt, empfiehlt sich der Besuch. Denn schon jetzt steht fest, dass danach nie wieder eine Schaukel oder ein Wasserkasten als reine Gebrauchsgegenstände verstanden werden.

Weitere Informationen unter www.galerieheikestrelow.de

Text und Fotos von Edda Rössler, am 5. Oktober 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse