Text wurde (in leicht gekürzter Version) am 11. Mai 2020 in der Frankfurter Neuen Presse veröffentlicht
Das vergangene Wochenende stand in der Fahrgasse unter dem vorsichtigen Zeichen „Zurück zur Normalität“. Acht Kunstgalerien, zu denen die Galerien Maurer, Leuenroth, Schwind, Rothamel, Mühlfeld+Stohrer, Greulich, Wagner und Mixer zählen, öffneten nach langen Wochen erstmals unter strenger Beachtung der Vorsicht- und Abstandsregeln die Pforten. „Es war was los, und die Leute waren tatsächlich diszipliniert und neugierig“, so das Fazit des Galeristen Andreas Greulich.
So unterschiedlich das einzelne Galerieprogramm, so liegt doch die Auseinandersetzung mit der Leizpiger Schule in der Luft. In deren strengster Manier interpretiert sie der Leipziger Landschaftsmalers Markus Matthias Krüger (39) in der Galerie Schwind. Seine im altmeisterlichen Stil gemalten, kleinformatigen Ölbilder evozieren Landleben. Das aber keinesfalls friedvoll, sondern eigenartig desolat daherkommt. Da fällt etwa der Blick ein pittoreskes Backsteinhaus, in dessen Vorgarten aber Scherben liegen.
Auch als wichtiger Ausbildungsort für junge Maltalente spielt die Leipziger Schule eine Rolle, stellen doch gleich zwei Meisterschülerinnen der Kunstprofessorin Annette Schröter eindrucksvoll ihr Können vor. In der Galerie Rothamel reüssiert die 1988 in Kalifornien geborene und aufgewachsene Ellen Akimoto. Über ihre großformatigen, zunächst in Acryl und anschließend in Ölfarben angelegten Werke gerät man ins Staunen. Selten zuvor sah man einen derart spielerisch leichten Umgang mit Figuration, bei der auch ihre brillante und frische Farbpalette mit ins Spiel kommt. Alles ist in Bewegung, Raum wird zur Fläche und verwandelt sich wieder in Raum. Dabei gibt Akimoto, deren Bildwelten aus Menschen in ihrer Umgebung bestehen, noch eine weitere Dimension dazu. Kokett spielt sie mit Abstraktion und Ornamentik. Scheinbar mühelos gelingt der Künstlerin das Spiel mit Licht und Schatten, die in figurativer Darstellung mündet und sich zugleich humorvoll davon verabschiedet.
Mit Mona Broschár (Jahrgang 1985), deren wunderbar pastellfarbene Werke in der Galerie Maurer zum Besuch einladen, begegnet man einer weiteren Meisterschülerin Annette Schröters. Die großformatigen Stillleben, zumeist Acryl auf Ölfarbe, ziehen den Betrachter aufgrund ihrer verlockenden Farbigkeit und den Motiven wie Süßigkeiten und Blumen in den Bann. Erscheinen Broschár Bildwelten nahezu paradiesisch süß, teilen sie zugleich Ohrfeigen aus. Dann entpuppen sich die scheinbar so niedlichen Pflanzen in der Blumenvase als hässliche, wuchernde Wülste.
Etwas Ausgefallenes kann bei Mühlfeld+Stohrer zu entdecken. Dort bespielen mehrere kleinformatige Porträts des in Oberhausen geborenen Künstlers Harald Lange die Galeriewände. Die mit Gouachefarbe gemalten Köpfe, die reizvoll zwischen Individualität und Stereotyp schwanken, zeigen schöne Gesichter junger Menschen, die Werke-Ikonen sein könnten. Harald Lange ist dafür bekannt, dass er alte Landkarten, wie wir sie noch aus dem Geografieunterricht kennen, als Bildträger verwandt. Bei den in der Fahrgasse präsentieren kleinen Formaten hat er den Spieß umgedreht und Kartenreste mit in das Bild eingebaut.
Lyrisch verspielt funkeln die Bildwelten der 1964 in Gumersbach geborenen, Berliner Künstlerin Heike Jeschonnek in der Galerie Christel Wagner. Die mit Wachsfarbe arbeitende Künstlerin beschäftigt sich mit Blumen-Stillleben und großformatigen Hommagen an Landschaften. Sie verzichtet auf üppige Farbigkeit und setzt auf wenige, reduzierte Farbkontraste wie Weiß, Blau und Schwarz. Ein wahrer Hingucker ist das prachtvolle Landschaftsbild „Havelland“. Einfach nur ein weißer Hirsch, eine in Blautönen gehaltene Wasserlandschaft, die im Hintergrund in differenzierten Weißtönen gehaltenen Birken begegnen. Diese Landschaft verwandelt sich in einen Meditationsraum.
Schreiend bunt begegnen wir den Werke von Matthias Moravek (44) in der Galerie Andreas Greulich. „Menagerie“ hat der Künstler die Ausstellung betitelt, in der er Bezug nimmt auf zoologische Schausammlungen, in denen exotische Vögel und andere Tiere gehalten wurden. Gleichsam in einem imaginären Dschungel aus Farben und Formen stehen nun die Tiere als weiße Flächen in den Bildern.
In der Galerie Der Mixer dreht sich alles um die 1965 in Düsseldorf geborene Künstlerin Verena Landau, auch sie ehemalige Studentin in Leipzig bei Arno Rink und Neo Rauch. Die Künstlerin beschäftigt sich kritisch mit Gesellschaftsstrukturen. In ihren figurativen Werken verblassen scheinbar „Wichtige“ wie Manager und Unternehmensberater, während „Underdogs“ präzise und liebevoll systemrelevant inszeniert werden.
Ein wahres Ausrufezeichen bildet die aktuelle Doppel-Ausstellung in der Galerie Leuenroth. Mit Marco Wagner und Kathrin Thiele zeigt die Galeristin Kirsten Leuenroth bewegende malerische Proteste gegen das Sterben.
Alles Ausstellungen sind noch bis Juni geöffnet. Anmeldung und weitere Informationen unter galerien-frankfurt-mitte.de
Text und Fotos der Galeristen von Edda Rössler